Kaum scheint die Sonne wieder, ist auch dieses Geräusch wieder da: Es klackert, rattert, rasselt, scheppert, rumpelt und kracht, dass es eine wahre Freude ist. Die Fahrradsaison ist eröffnet und das ist in Kreuzberg meist eine lautstarke Angelegenheit. Grund hierfür ist der Pflegezustand vieler Räder, der knapp oberhalb der Kategorie „noch fahrtüchtig“ rangiert. Also klappert das Rückblech, quietschen die Pedale, schleift die Kette bei jeder Fußbewegung.
Wer im bürgerlichen Charlottenburg oder im biederen Zehlendorf aufgewachsen ist, der kennt solcherlei Geräusche ja kaum. Fahrräder sind dort vor allem als rund laufende geräuscharme Fortbewegungsmittel bekannt. Allenfalls das leichte Sirren der Gangschaltung (18 Gänge plus) ist zu hören und vielleicht noch das leise Schnaufen des Radfahrers, wenn er sich die Steigung auf den Teufelsberg hinauf quält. Wo in Wilmersdorf eine jährliche Inspektion auf dem Programm steht, wird in Kreuzberg das Fahrrad genau einmal inspiziert – nämlich beim Kauf. Und so scheinen sich auch die Händler in der Umgebung weniger auf die Reparatur bestehender Bikes als auf den Verkauf von Gebrauchtfahrrädern spezialisiert zu haben.
Nicht nur dort wechseln Räder schnell ihren Besitzer: Wer seinen Drahtesel am Görlitzer Park abstellt, sollte besser nicht nur Rahmen und Vorderrad, sondern alle irgendwie abschraubbaren Teile des Rades mit einem Schloss sichern. Die Galerie an halbzerlegten Rädern vor dem Schwimmbad am Spreewaldplatz spricht hier Bände.
Hier muss die Fahrradmanufaktur wohl noch mal von vorne anfangen: Rad am Spreewaldplatz
Unvergessen auch der Tag, als ich schwerbepackt aus dem Lidl kam. „Hey, möchtest du Fahrrad kaufen?“, fragte mich ein Farbiger und wollte mir ein braunes Herrenrad andrehen. Für 30 oder 40 Euro hätte ich es haben können. Mit Transportkorb, aber ohne Schloss.
Es ist nicht nur die Saison der Fahrradfahrer, sondern auch der Fahrraddiebe. So mancher schützt sein Rad mittlerweile nach der „Kreuzberger Formel“. Das heißt: Preis des Schlosses = Fahrradwert mal zwei. Und jeder kennt irgendjemanden, dem ist trotzdem das Rad abhanden gekommen. Auftauchen tun die Bikes dann im Internet (u.a. Ebay Kleinanzeigen, Zweite Hand) oder auf Flohmärkten wie im Mauerpark. Wer sein geklautes Rad wieder haben möchte, dem wird hier ein guter Preis gemacht.
Und während das Stadtmagazin Zitty in seiner letzten Ausgabe die Vorzüge eines Fahrrades gegenüber einer Seifenkiste anpreist („in ihrer Nutzung weitaus eingeschränkter“), den „Schönheits-Vorsprung eines klapprigen Drahtesels vor einem nagelneuen Porsche 911“ erkannt zu haben glaubt und auf den folgenden zehn (!) Seiten Fahrradfahrer vorstellt, die tatsächlich zu Uni oder zur Arbeit mit dem Rad fahren (wer hätte das gedacht, liebe Zitty!), gehe ich bisher noch zu Fuß. Mein Baumarktfahrrad mit drei Gängen steht nämlich noch im Keller. Es ist einfach nicht kreuzbergtauglich: Es klappert nämlich nicht. Kein Scheppern und Rasseln, wenn man über den Asphalt brettert. Irgendwie muss ich da noch mal ran; ein paar Schrauben lösen, das Öl von der Kette wischen und die Pedale zum Quietschen bringen. Dann kann der Fahrradsommer kommen.
Hey!
In Marburg (wie in anderen [Uni-]Städten wohl auch) gibt es mittlerweile eine Fahrradselbsthilfe-Werkstatt. Da kann man sich von netten Leuten erklären lassen, wie man das Klappern und Rattern beheben kann, wenn man auch mal durch gutbürgerliche Viertel radeln will 😉
Gibt es so etwas noch nicht in Berlin?
vgl. http://www.radikate.org/
Das ist ja mal ein guter Bericht/Blog – und ein paar nette Foto von alten Böcken;-)
Na in Berlin muss man ja wohl wirklich die Fahrräder gut absichern gegen Diebstahl. Aber auch hier in Nürnberg wurde mir leider schon das ein oder andere Mountainbike geklaut, obwohl es gut abgesperrt war. Schade eigentlich, dass es solche Langfinger gibt.