Discounter-Krieg in Kreuzkölln

Aldi war das erste Opfer: Der Markt am Maybachufer war eines Morgens plötzlich weg. Kein Licht, keine Waren, vor der Tür drehte schon der Abrissbagger seine Kreise. An der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln tobt schon seit längerem der Discounter-Krieg. Es geht um viel: So zählt etwa der angrenzende Reuterkiez auf der Neuköllner Seite zu den am dichtesten besiedelten Gebieten von Berlin (und das obwohl es dort fast keine Hochhäuser gibt).

Der Schließung des ALDI war eine Provokation von LIDL nebenan vorangegangen. Der Markt hat dank seines großen Parkplatzes ohnehin schon einen Vorteil im Kampf um die Kunden. LIDL hatte seinen Verkaufsraum renoviert, die Regale umsortiert und sich mit einer Backstation bewaffnet. Man glaubt ja gar nicht, was diese Aufbackapparate für eine Anziehungskraft haben. Davon hängt häufig schon die Entscheidung für oder gegen einen Einkauf dort ab: „Gehen wir zu Aldi oder zu LIDL?“ – „Ach lass doch zu LIDL gehen, bei Aldi gibt es nur dieses labbrige Tütenbrot.“ Entscheidung getroffen. Und die Erfahrung zeigt: Meistens kauft man aus Bequemlichkeit doch nur in einem Supermarkt ein.

Der Discounterkrieg geht weiter! Letzte Woche wollte ich nach dem Schwimmen gehen noch rasch bei Penny vorbei. Auch hier: Der komplette Laden war leergeräumt. Keine Waren, keine Regale, keine Kassen. Stattdessen Handwerker, die den Laden aufrüsten, ihn für den Konkurrenzkampf stählen. So stehen Bier, Wein und Chips jetzt direkt vorne an den Kassen. Wer also nur für den Partyabend einkauft, braucht nicht durch den ganzen Laden zu laufen. Dafür ist der unsägliche Non-Food-Plunder (Billig-Kleidung, schrottige Haushaltsgeräte etc.) nach hinten gewandert. Und auch hier liefert eine Backstation brummend neue Brote im Stundentakt.

So ein Komplettumbau will ja gut überlegt sein. Statistisch gesehen hat ein Supermarkt zwischen 20-30.000 Produkten. Diese Warenmassen müssen schnell und sicher in ein Lager und hinterher wieder zurückgebracht werden. Das steckt schon eine unglaubliche Logistik dahinter. Nicht zu vergessen: Während der ganzen Zeit des Umbaus verdient die Filiale keinen einzigen Cent.

In unserem Kiez scheint es sich jedenfalls zu lohnen. Denn wie ich per sicherer Mundpropaganda erfahren habe: Der Aldi ist gar nicht weg, er lädt nur nach. Der Markt am Maybachufer wird in wenigen Monaten komplett neu aufgebaut. Größer, sauberer und vielleicht sogar mit Backstation. Der Discounter-Krieg in Kreuzkölln geht also weiter…

Blog mit Käse überbacken

Liegt es an meinen Schweizer Genen, dass ich beim Thema „Überbackener Käse“ innerlich gespalten bin? Klar, so ein Käse-Fondue ist schon lecker und auch ein Raclette ist eine schöne Sache. Aber muss man deshalb jedes Stückchen Käse, das man in die Finger bekommt reiben, rösten und zu einer klebrigen Masse einschmelzen?

Die junge Amerikanerin MacKenzie Smith scheint genau das zu tun – und sie bloggt darüber: Grilled Cheese Social heißt die Seite, auf der sie Rezepte für überbackene Sandwiches gibt. Ja genau, diese Dinger für die man normalerweise ein Stück 0815-Scheibletten-Käse zwischen zwei Toastbrot-Scheiben klemmt und sie dann im Sandwichtoaster zu einem dreieckigen Gebildete zusammenröstet.

Zugegeben, die Fotos ihrer Kreationen (Cranberry-Senf-Truthahnbrust, Grüne-Bohnen-Camembert) sind durchaus appetitanregend. Aber spätestens bei der Käseauswahl merkt man schnell, dass die USA einfach kein Käseland sind: Hinter Gouda, Cheddar und Brie kommt erst mal nicht viel. Und ein Greyerzer gilt schon als seltene Spezialität. Ein Schweizer kann darüber natürlich nur lachen. Andererseits, wage ich als Schmelzkäse-Laie zu behaupten, schmeckt man ohnehin kaum noch Geschmacksnuancen heraus, wenn der Käse erst mal in klebrigen Fäden am Toastbrot hängt und eine unheilvolle Allianz mit Chili-Ketchup und geröstetem Speck eingegangen ist…

Witzig geschrieben sind die Begleittexte zu den Rezepten. MacKenzie Smith erzählt dort kleine Anekdoten, etwa aus ihrem Uni-Leben: In den ersten Wochen im Wohnheim habe sie sich vor allem von Cornflakes, Erdnuss-Butter und Jelly-Sandwiches ernährt. Da habe ihr aber schnell die Abwechslung gefehlt: „But my palette and reputation were suffering; one can only go through the TacoBell drive-thru so much before they start to know you by name.”

Ja, schon wirklich tragisch! Aber erfindungsreich wie sie war, hat sie sich gleich eine kulinarische Alternative überlegt, die völlig ohne lästiges Gemüse auskommt und für deren Herstellung man nur ein Bügeleisen und etwas Alufolie benötigt: Grilled Cheese Iron Style – das vermutlich erste Bügeleisen-Sandwich. Allein schon wegen dieser heißen Kreation sollte man sich ihr Grilled Cheese Social-Blog einmal näher anschauen.

Das Leben als Groschenroman

Ob Hundemagazine, Jägerzeitschriften oder Feng-Shui-Hefte: Die Zeitungsläden sind voll von ziemlich schrägen Druckerzeugnissen. Einige stelle ich ja hin und wieder in meiner Rubrik „Im hinteren Regal“ vor. Aber wieso gibt es im Internet eigentlich noch keine gesammelte Liste der skurrilsten Zeitschriften? Das wäre doch mal witzig. Das Betroffenheits-Magazin „Meine Schuld“ vom Groschenheft-Verlag Keller würde in jedem Fall mit auf diese Liste gehören. In der trashig aufgemachten Zeitschrift erzählen Frauen von (angeblich) wahren Schicksalen. Die Ehe ist gescheitert, die Kinder werden zu Satanisten und Opa schiebt die Oma ins Altersheim ab. Von dieser Art sind die Lebenskrisen, die hier behandelt werden. Die Berliner Journalistin Juliane Wiedemann hat das Heft in ihrem Blog untersucht. Aber lest ihre lustige Rezension am besten selbst.

Wie ich einmal vergeblich versuchte, mir eine Halbjahreskarte fürs Kino zu kaufen

Die Halbjahreskarte für die Yorck-Kinos in Berlin ist eigentlich eine prima Sache: Für 129 Euro kann man sechs Monate lang beliebig viele Filme anschauen. Bei einem Kartenpreis von rund 7 Euro pro Vorstellung lohnt sich die Dauerkarte also, sobald man mehr als drei Mal im Monat ins Kino geht. Nicht zuletzt ist der Besitz aber natürlich auch ein psychologischer Anreiz, um häufiger ins Kino zu gehen. So schaut man sich vielleicht auch Filme an, die man sich sonst nur auf DVD zu Gemüte geführt hätte – allerdings in Kinoatmosphäre.

Diese Woche wollte ich mir also nun eine solche goldene Karte zulegen. Was viele nicht wissen: Schon der Kauf ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. In fünf Anläufen habe ich es dennoch geschafft.

Erster Anlauf
Das Kino Passage in der Karl-Marx-Straße in Neukölln. Eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn.

Ich: „Guten Tag, ich hätte gerne eine Halbjahreskarte.“
Verkäuferin: „Die gibt es gar nicht mehr. Nur noch ein Monatsabo.“
Ich: „Aber mein Bruder hat sich gerade gestern noch eine geholt.“
Mein Bruder springt ein und zückt zum Beweis seine Karte.
Verkäuferin: „Achso, ja die gibt es nur noch als Geschenk.“
Ich: „Na dann möchte ich die mir jetzt selber schenken.“

Daraufhin kramte die Verkäuferin in einem dicken Leitzordner und förderte zwei fotokopierte Anträge zutage, die ich ausfüllen solle. Dann würde ich die Karte bekommen.

Zweiter Anlauf

Ich: „Hallo, da bin ich wieder und ich habe den Antrag ausgefüllt.“
Verkäuferin: „Ok, gehen Sie denn jetzt auch gleich ins Kino?“
Ich: „Ja, wir möchten Tim und Struppi sehen.“
Verkäuferin: „Wissen Sie, es ist ziemlich kompliziert diese Karte im System zu beantragen und ich möchte die anderen Gäste in der Schlange nicht warten lassen. Gehen Sie doch einfach erst mal so ins Kino und kommen sie hinterher wieder zu mir. Ich bereite dann alles soweit vor.“
Ich: „Klar, kein Problem, so machen wir das.“

Langsam schien es zu einer richtigen Herausforderung zu werden.

Dritter Anlauf (nach dem Film)

Ich: „Hallo, ich komme wieder wegen der Halbjahreskarte“
Verkäuferin (überlegt kurz): „Oh ja, na wir können es mal probieren. Haben Sie denn das Geld in bar dabei?“
Ich: „Nehmen Sie keine EC-Karten?“
Verkäuferin: „Keines unserer Kinos nimmt EC-Karten.“
Mein Bruder: „Aber ich habe die Karte gestern im Kantkino mit EC bezahlt.“
Verkäuferin: „Hm ja, die gehören auch eigentlich nicht so wirklich zu uns.“
Ich: „Ok, ich gehe zum Bankautomaten um die Ecke und hole Geld.“
Verkäuferin (fummelt an Webcam herum): „In Ordnung, ich versuche unterdessen die Kamera hinzubekommen. Wir brauchen noch ein Foto für die Karte.“

Vierter Anlauf (nach dem Besuch beim Bankautomaten)
Die Verkäuferin telefoniert. Sie ruft offensichtlich verschiedene Kollegen in anderen Kinos der Yorck-Gruppe an, um sich Rat zu holen. Als sie aufgelegt hat, trete ich an den Tresen.

Ich: „Na, wie sieht es aus mit meiner Karte?“
Verkäuferin: „Also das ist ein größeres Problem. Ich kann ihren Namen nicht in die Felder im System eintragen. Habe es auch schon mit anderen Karten probiert, aber die sind anscheinend irgendwie alle defekt.“
Ich: „Aha, und was machen wir jetzt?“
Verkäuferin: „Also ich kann ihnen die Karte zwar verkaufen, aber dann müssten Sie noch mal in unser Büro in der Zentrale kommen und Namen und Foto nachmachen lassen. Das ist ziemlich umständlich. Oder ich schenke Ihnen den Kinobesuch heute und Sie probieren es in einem unserer anderen Kinos noch mal. Tut mir leid, dass es so kompliziert ist.“

Jeder nicht ganz so gewiefte Jahreskarteninteressent hätte jetzt vermutlich aufgegeben und verzichtet. Aber als richtiger Berlinblogger konnte ich es natürlich nicht lassen, und habe es weiter probiert. Zwei Tage später stand ich beim Filmtheater am Friedrichshain auf der Matte. Zwar quittierte die Verkäuferin meine Frage nach der Jahreskarte auch hier mit einem „Oh je“ und winkte eilig ihre Kollegin zur Unterstützung herbei („Da will schon wieder eine die Halbjahreskarte“), aber der Kauf ging dann überraschend reibungslos über die Bühne. Foto wurde irgendwie keins gemacht, dabei hatte ich mir doch extra vorher noch die Haare gekämmt (nene, kleiner Spaß…). Ende gut, alles gut: Ich habe die Karte im fünften Anlauf erfolgreich gekauft.

Wenn ihr auch mal euer Glück probieren wollt: Eine Halbjahreskarte für die Yorck-Kinos kostet 129 Euro, eine Jahreskarte gibt es für 229 Euro, beides bei Einmalzahlung vorab. Alternativ gibt es auch eine Abo-Karte mit Mindestlaufzeit von 12 Monaten, welche 18,90 Euro pro Monat kostet (und damit absurderweise günstiger als die Einmalzahlung ist).

Es geschah am hellichten Tag…

Am Sonntagnachmittag wollte ich zwei wichtige Dinge erledigen: Wählen gehen und meinen Müll runterbringen. Als ich vom Hof zurückkam ahnte ich noch nicht, was mir kurze Zeit später widerfahren würde. Um nicht noch einmal auf- und wieder zuschließen zu müssen, stellte ich meinen grauen Papierkorb vor der Wohnungstür ab. „Den klaut schon keiner“, sagte ich noch zu mir.

Als ich eine dreiviertel Stunde später vom Wählen zurückkam, war mein Papierkorb verschwunden. Ich habe überall nachgeschaut: Bei den Mülltonnen im Hof, im Hausflur und sogar in der Wohnung (obwohl es ja erwiesenermaßen eher selten vorkommt, dass sich Papierkörbe durch geschlossene Türen hinweg verschieben). Aber keine Spur von dem grauen Eimer!

Nun könnte man ja sagen „was solls, sowas passiert halt…wird dem Lukas eine Lehre sein, wo er seinen Papierkorb immer vor der Tür stehen lässt…noch dazu in Kreuzberg“. Doch damit würde man es sich zu einfach machen.

Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass ein Nachbar meinen Papierkorb entwendet hat. Unsere Haustür schließt zuverlässig und besonders viel Publikumsverkehr war am Sonntagnachmittag auch nicht zu beobachten gewesen. Ich glaubte plötzlich, den eisigen Hauch der sozialen Kälte im Haus spüren zu können (vielleicht war es auch der Herbst). Denn wer möchte schon gerne mit Nachbarn Wand an Wand wohnen, die einem hinterrücks den eigenen Papierkorb vor der Tür wegklauen?

Wieso stiehlt überhaupt jemand einen Plastikeimer, der neu nur etwa fünf Euro kostet und gebraucht wohl kaum einen Wiederverkaufswert besitzt? Ich wollte mehr erfahren und ging im Haus von Tür zu Tür. Ich fragte die nette Frau vom Stockwerk obendrüber, klingelte bei dem verstrubbelten Amerikaner und wartete vergeblich vor der Tür des türkischen Ehepaares. Doch niemand hatte den Papierkorb gesehen oder wollte zugeben, dass er ihn gesehen und dann mitgenommen hatte.

Also probiere ich es jetzt mit kleinen Postern, die ich im Hausflur aufgehängt habe. Zugegeben, die Geschichte darauf ist etwas dramatisiert. Aber wer seinen Papierkorb zurückhaben möchte, der muss klotzen, nicht kleckern (was schlecht wäre, so ohne Papierkorb).

Nachtrag (20.09.): Der Aushang hat offensichtlich gewirkt. Heute früh stand mein Papierkorb plötzlich wieder vor der Tür – ganz so als wäre er nie weg gewesen. Halt nicht ganz, oben klebte noch ein Zettel dran mit der Aufschrift „Tut mir leid!“.

Der Thaipark in Wilmersdorf

Bin ich hier in Thailand? Was aussieht wie eine Wiese in Bangkok ist in Wirklichkeit der Preußenpark in Berlin-Wilmersdorf, besser auch bekannt als Thaipark. Jedes Wochenende treffen sich hier dutzende thailändische Familien und kochen auf der Wiese. Wann es genau angefangen hat, kann heute niemand mehr sagen. Aber schon 2002 berichtete die Berliner Zeitung, dass der Park seit mindestens zehn Jahren ein beliebter Treffpunkt von Asiaten sei. Was als Picknick begann, ist mittlerweile ein richtiges Geschäft geworden: An einem Stand brutzeln Kochbananen in der Pfanne, am nächsten gibt es Saté-Spieße mit Hühnerfleisch und dazu frisch gedämpften Reis. Für ein paar Euro kann man im „Open-Air-Restaurant“ auf der Wiese asiatisch essen (siehe Bericht zum Essen im nimmersatt-in-berlin-Blog).

Was auffällt: Viele junge Thai-Frauen haben ihre deutschen Männer dabei. Die sind oft schon im Rentenalter und sehen so aus, als ob sie gerade frisch aus der Kneipe kämen. Während die Thai-Frauen kochen und das Essen verkaufen, tun die Männer, dass was sie am besten können: Sie sitzen im Liegestuhl und ruhen sich aus. Einige lungern auch beim Glücksspiel hinter den Essensständen und zocken um Euros.

Eine Thailänderin bietet Massagen an. Auffallend sauber ist es auf der Wiese: Ein „Hausmeister“ läuft herum, stellt Plastiksäcke für den Müll bereit. Das Bezirksamt versucht dem Treiben mit Verboten und gelegentlichen Razzien beizukommen – seit fast zwanzig Jahren ziemlich erfolglos.

Und so wird weiterhin jedes Wochenende im Thaipark gekocht, massiert und gezockt.