Karstadt und Cognac

Altherrendrink? Schon Napoleon soll gerne Cognac getrunken haben. (altes Werbeposter. Reproduktion: Classic Film / Flickr.com)
Altherrendrink? Schon Napoleon soll gerne Cognac getrunken haben. (altes Werbeposter. Reproduktion: Classic Film / Flickr.com)

Man kann vieles sagen, aber nicht, dass sich Karstadt nicht alle Mühe gibt, seine wirklich guten Abteilungen zu verstecken. So etwa das Perfetto, jene hinreißend altmodisch wirkende Mischung aus Gourmetladen und Supermarkt, die unter dem Neuköllner Hermannplatz verborgen auf Kunden wartet. Wer sich oben durch „Wow-Sale“-Ständer mit Mode aus den letzten zwei Jahrzehnten kämpft, kriegt vermutlich gar nicht mit, dass sich unter der Erde ein Schlaraffenland der Köstlichkeiten befindet.

Die natürlichen Stärken von Perfetto liegen dort, wo die normalen Supermärkte schwächeln: Es gibt exzellenten Schinken und Salami, eine Fleischtheke mit Kalb und Weidelamm und jede Menge würzige Bergkäse für eine Brotzeit oder ein Käsefondue. Und es gibt eine Spirituosenabteilung mit einer erstaunlich breiten Auswahl an Whisky und Rum. Genau hier war es, dass ich letztens über einen Angebotsständer mit Cognac stolperte, der wohl schon auf das Weihnachtsgeschäft wartete.

Karstadt und Cognac – das passt perfekt zusammen. Beide haben einen leicht ältlichen Charme, sind schon lange nicht mehr Trend und haben sich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht verändert. Cognac der Altherrendrink, Karstadt das Altherrenkaufhaus. Doch machen wir es uns damit nicht zu einfach? Die Qualität des Cognacs liegt ja gerade im Alter. Über viele Jahre reift er im Holzfass, wird immer noch besser. Und sicher würde uns Genießern auch etwas fehlen, wenn er plötzlich nicht mehr da wäre. Genauso auch das Karstadt: Wo würde ich hingehen, wenn es die Filiale am Hermannplatz mit ihrer großen Haushaltswarenabteilung und mit dem Perfetto im Tiefgeschoss nicht mehr gäbe?

Der Vergleich von Karstadt und Cognac stimmte mich so wehmütig, um ein Haar hätte ich mir den Weinbrand und noch zwei gute Cognacschwenker dazu gekauft. Um anzustoßen auf dieses Kaufhaus. Und auf die große Auswahl. Ich habe es dann doch bei 150g Serrano-Salami und einem Stück Greyerzer-Käse belassen. Gestern habe ich gesehen, dass es den Schweizer Käse inzwischen auch bei LIDL gibt. Harte Zeiten für Karstadt. Auch Napoleon auf seinem weißen Pferd sollte sich besser warm anziehen. Oder noch einen Schluck Cognac trinken. Denn merke: Das wärmste Jäckchen ist immer noch das Kognjäckchen.

Kunst aus dem Automaten

An diesem knallbunten Automaten an der Ecke Fuldastraße/Weserstraße in Neukölln gibt es keine Zigaretten, Kaugummis oder Kondome. Stattdessen kann man sich für zwei Euro Kunst von „regionalen, nationalen und internationalen Künstlern“ herauslassen.

Ich war vor Ort und habe den Kunstautomaten ausprobiert. Dass sich keine Skulpturen oder großformatige Gemälde in dem bunten Apparat verbergen, war natürlich klar. Aber wieviel Kunst gibt es tatsächlich für zwei Euro? Ihr erfahrt es im Videobericht:

Hier das Pinguin-Bild von Evelyn Surek noch einmal in groß:

Der dazugehörige Beipackzettel enthält eine Biografie der 1968 in Göttingen geborenen Künstlerin sowie eine Beschreibung ihrer Werke. Demnach habe sie bei ihren Reisen festgestellt, dass sie von Naturdenkmälern wie Stonehenge und Ayers Rock besonders angezogen wurde. Im O-Ton: „Die Geomanten, die die Zusammenhänge von Erdenergien, Erdmagnetismus, Kreuzenden Wasseradern und solchen Plätzen beschrieben, bezeichnen diese Plätze mitunter als Erdkraftorte.“

Ah ja, genau…Was der Pinguin aus dem Automaten mit den Kraftfeldern zu tun hat, ist mir zwar nicht ganz klar, aber originell und hübsch ist er auf alle Fälle. Jetzt muss ich nur noch einen Rahmen für den 7,3 x 5,5 cm großen Druck finden…

Mehr Infos zu den Kunstautomaten (aber leider keine Übersicht mit Standorten) gibt es hier.

Berlin-Karte zum Zerknüllen

Es ist eine Szene wie bei Loriot: Touristen stehen auf dem windigen Potsdamer Platz und versuchen einen überdimensional großen Stadtplan von Berlin zusammenzufalten. Ein Teil auf den anderen, immer entlang der Perforation und im Kampf gegen den Wind. Früher oder später knicken sie den Plan falsch um, merken das aber erst später. Die Karte zerknittert, reißt an einigen Stellen ein. Am Ende sieht sie aus wie Hund und wird doch irgendwie in den Rucksack gestopft.

Um Situationen wie diese zu vermeiden, hat der italienische Designer Emanuele Pizzolorusso die Crumpled City-Karten entwickelt. Die Stadtpläne bestehen aus dem weichen papierähnlichen Material Tyvek und lassen sich nach der Benutzung einfach zusammenknüllen und in dem mitgelieferten Beutel oder der Hosentasche verstauen. Das Zerknittern wird so zum zentralen Prinzip erhoben.

Die Crumpled Berlin-Karte zeigt wichtige Sehenswürdigkeiten im Zentrum der Hauptstadt, richtet sich also vor allem an Touristen. Auch U- und S-Bahn-Stationen sind eingezeichnet (leider ohne die dazugehörigen Linien). Wer länger in der Stadt bleibt oder Ziele jenseits der Innenstadt sucht, kommt um einen normalen Stadtplan also nicht herum.

In Zeiten von Google Maps und Smartphone-Navigation mag es etwas antiquiert wirken, noch mit einer echten Karte durch die Gegend zu laufen. Die Crumpled Map ist aber in jedem Fall ein Hingucker und ein witziges Geschenk.

Die Crumpled City Map Berlin ist 87 x 58 cm groß, wasserfest und wiegt 20 g. Sie kostet zwischen 13 und 15 Euro und ist zum Beispiel im Erfinderladen in der Lychener Str. 8 erhältlich. Auf der Herstellerseite gibt es auch noch zahlreiche andere Städte zum Knüllen.

Auf Messers Schneide: Koch-Abo im Test

Am Ende wäre Mitch Maddox fast verhungert: Der Computer-Techniker hatte sich im Jahr 2000 vorgenommen, sein Haus für ein Jahr lang nicht mehr zu verlassen. Kleidung, Möbel und sogar sein Essen wollte der 26-jährige nur noch über das Internet bestellen. Er wollte damit den Beweis antreten, dass das Internet mittlerweile alle Lebensbereiche abdecke und die reale Welt draußen zumindest teilweise ersetze. Doch der selbsternannte „Dotcomguy“ hatte einen schlechten Zeitpunkt für sein Experiment gewählt: Die Dot-Com-Krise stand vor der Tür, reihenweise gingen bei den Start-ups die Lichter aus. Am Ende hatten praktisch alle Online-Lieferdienste für Lebensmittel ihren Betrieb eingestellt…

So gesehen ist im Jahr 2012 die Lage weitaus besser: Es gibt nicht nur zahlreiche Shops, in denen man sich Lebensmittel bestellen kann, man kann sich sogar ganze Gerichte mit Rezept an die Haustür liefern lassen.

Koch-Abos heißt diese neue Dienstleistung, die ihren Ursprung wohl in Schweden hat. Das Prinzip ist ganz einfach: Jede Woche erhält man drei bis fünf Rezepte, sowie eine Kiste mit genau abgezählten Zutaten, mit denen man diese kochen kann. Je nach bestelltem Abo reichen die Zutaten für zwei oder mehr Personen.

 

Kochzauber.de im Test

Ich habe beim Anbieter Kochzauber.de angefragt und freundlicherweise eine Kiste mit drei Gerichten zum Testen erhalten. Die Zutaten werden von dem Anbieter einmal pro Woche am Mittwochabend ausgeliefert. Diesen Abend sollte man sich als Koch-Abonnent also frei halten. Wer sein Haus sowieso nie verlässt wie Mitch Maddox, hat es da natürlich einfacher.

Das Öffnen der Box hatte durchaus einen Aha-Effekt: Neben typischen Zutaten wie Möhren, Reis und Hackfleisch, fanden sich auch exotischere Gewächse in der Pappkiste. Um ganz ehrlich zu sein: Einige Gemüsesorten kannten wir selbst noch gar nicht. Wer weiß schon, dass ein Mangold so aussieht wie die gemüsige Variante eines Rhabarbers? Netterweise hat das Kochzauber-Team fast alle Sachen mit kleinen Schildchen beschriftet.

In unserer Box waren die Gerichte „Seelachsfilet auf Mangold-Curry-Bett“, „Glasnudelsalat mit Pak Choi und Hackfleisch“ und eine „Brokkoli-Nuss-Pasta“ enthalten. In der Fünfer-Box hätte es noch eine Suppe mit Chorizo und ein Tofu-Gulasch mit Kartoffelpüree zusätzlich gegeben.

Kochen mit Pak Choi

Wir haben Lust auf Fleisch und entscheiden uns für das zweite Gericht. Nach kurzem Überfliegen des Rezeptheftes gleich die erste Frage: „Wer ist eigentlich dieser Pak Choi? Und kommt der noch vorbei, um uns zu helfen?“ Es wurden sieben Uhr, es wurde halb acht. Aber kein Pak Choi in Sicht. Also beschlossen wir schon mal ohne ihn anzufangen. Knoblauch und Frühlingszwiebeln wurden klein geschnitten und angedünstet. Möhren dazu. Alles soweit kein Problem.

Dann hieß es im Rezept plötzlich: „Schneiden sie den Pak Choi in kleine Stücke“. War dieser Pak Choi etwa doch kein freundlicher Küchenhelfer aus Fernost, sondern ein wie auch immer geartetes Gemüse? Hektisches Kramen in der Box. „Ist dieses grüne Ding etwa ein Pak Choi?“ Nach einem kurzen Blick auf Wikipedia die Gewissheit: Bei dem Gemüse handelt es sich um eine spezielle Kohl-Art. Das Koch-Abenteuer kann weiter gehen…

Mit dem Koch-Abo lernt man nicht nur neue Gemüsesorten oder Gewürze kennen, man kann auch aktiv seine Kochkünste verbessern. So werden etwa das Hackfleisch und das Gemüse getrennt angebraten und erst am Schluss wieder zusammengeführt. Eine Finesse, die vielen Internet-Rezepten fehlt.

Das Ergebnis war durchaus lecker, wenngleich das Gericht „Glasnudelsalat mit Pak Choi und Hackfleisch“ eigentlich kein Salat, sondern eher eine asiatische Pfanne war und etwas an Substanz vermissen ließ (eine Möhre, der Pak Choi, etwas Hackfleisch, dünne asiatische Suppennudeln). Die Mengen sind aber großzügig bemessen, wir konnten auch zu dritt davon essen.

Als das bessere Gericht entpuppte sich am nächsten Tag das Seelachsfilet auf Mangold. Der Fisch hatte eine gute Qualität und die Kombination mit Mangold und rotem Curry war ungewöhnlich, aber sehr geschmackvoll.  Die „Nudeln mit Broccoli und Nuss“ wurden in unserer Runde schnell als „klassisches Kantinengericht“ enttarnt. Nudeln kochen, Broccoli und Frischkäse dazu, am Schluss ein paar Nüsse zur Veredelung drüber – fertig! Kochwettbewerbe gewinnt man damit natürlich nicht.

Der große Vorteil eines Koch-Abos ist zweifelsohne, dass man direkt loslegen kann. So schnell hatten wir nach Feierabend noch nie ein fertiges Gericht auf dem Tisch. Das Stöbern im Kochbuch oder auf Internetseiten nach dem passenden Rezept entfällt ebenso wie die Suche nach exotischen Zutaten im Supermarkt. Die Kochzauber-Box richtet sich wohl vor allem an Leute, die berufstätig sind und wenig Zeit haben. Grundkenntnisse im Kochen sind eventuell vorhanden, vor allem aber ist die Lust da, mal etwas Neues auszuprobieren.

 

Koch-Abos sind kein billiger Spaß

Ein Koch-Abo von Kochzauber mit drei Gerichten für zwei Personen kostet stolze 39 Euro pro Woche – das sind fast 160 Euro pro Monat. Viel Geld für verhältnismäßig wenig Essen. Gefühlt könnte man die Zutaten in der Box bei Edeka oder Rewe vielleicht für 12 bis 15 Euro kaufen. Allerdings bekommt man im Supermarkt natürlich deutliche größere Mengen, kann also auch auf Vorrat oder spontan für mehr Personen kochen. Ein Gericht aus unserer Box kostete umgerechnet 6,50 Euro pro Person (nicht eingerechnet fehlende Grundzutaten und Energiekosten) – dafür kann man in Kreuzberg und Neukölln auch schon ganz gut essen gehen.

Doch natürlich bezahlt man bei Kochzauber auch die Auswahl der Rezepte, das Organisieren der Zutaten (wo bekommt man Mangold, Pak Choi oder roten Curry her?) und die Lieferung nach Hause. Ganz ersparen tut einem das Koch-Abo den Einkauf aber nicht: Zum einen fehlen bei jedem Rezept noch einige wichtige Zutaten (z.B. Öl, einige Gewürze, Gemüsebrühe, Sojasauce), zum anderen sind nur drei Hauptgerichte enthalten. Die restlichen Tage muss man sich also weiterhin selbst versorgen.

 

Mindestens sechs Anbieter in Deutschland

Mit Kochzauber, KommtEssen, HelloFresh, Schlemmertüte, KochAbo und TischLine deck dich kämpfen mindestens sechs Anbieter von so genannten Koch-Abos in Deutschland um einen Markt, von dem nicht mal sicher ist, wie groß er überhaupt ist. Am Anfang probieren sicher viele Leute für ein paar Wochen den Dienst aus. Aber wie viele Kunden sind wirklich bereit, dauerhaft Geld für diese Dienstleistung auszugeben?

 

Ecken und Kanten inklusive

Schaut man sich die Koch-Abos genauer an, werden zudem noch einige „Haken“ des Konzeptes sichtbar:

  • Feste Größen: Die Personenzahl der Kochboxen lässt sich nicht frei bestimmen. Die meisten Anbieter bieten Koch-Abos für zwei, vier oder sechs Personen an. Was machen Singles? Was macht man, wenn überraschend Besuch vorbeikommt? Vor jedem Urlaub muss man zudem daran denken, das Koch-Abo rechtzeitig zu pausieren.
  • Wenig Individualität: Wer bestimmte Gemüsesorten nicht mag, kein Fleisch, keinen Fisch oder kein Tofu mag, kann dies nicht angeben. Einige Koch-Abos bieten spezielle Boxen für Vegetarier an, das war es dann aber auch schon mit der Auswahl.
  • Wenig Bio: Wer sich bevorzugt von Bio-Produkten ernährt, wird mit den Koch-Abos nicht glücklich werden. Zu sehr wird die eigene Entscheidungsmacht beim Einkauf beschnitten. In unserer Kochzauber-Box waren zum Beispiel nur Sahne und Frischkäse aus biologischer Herstellung. Der Fisch hatte keine Zertifizierung (jedenfalls war keine erkennbar), vom Hackfleisch kann man wohl vermuten, dass es aus regulärer Massentierhaltung stammt. Das Gemüse war sehr frisch, aber Bio war es auch nicht. Angesichts des hohen Preises ist das schon erstaunlich.
  • Nichts für Spontane: Wer plötzlich Lust auf Risotto bekommt oder Heißhunger auf Röschti mit Apfelmus hat, dem hilft die Kochbox nur in den seltensten Fällen weiter. Zwar kann man die Reihenfolge der Gerichte selbst bestimmen, aber auf den Tisch kommt, was in der Box ist.
  • Der Kochstil: „Vielfältige Rezepte für eine ausgewogene Ernährung“, verspricht etwa Kochzauber auf seiner Seite. Was man für Männer auch übersetzen könnte mit: „Es gibt viel Gemüse und wenig Fleisch.“ Letzteres ist natürlich auch eine Kostenfrage, denn gutes Fleisch ist teuer. Mit dem Kochstil der jeweiligen Box muss man sich aber arrangieren. Zumindest so lange bis es ein Männer-Kochabo mit Steak und Bohnen-Speck-Pfanne gibt…
  • Keine Zusatzangebote: Wieso liefern die Koch-Abos zum Essen nicht auch gleich den passenden Wein oder ein besonderes Bier mit? Auch ein originelles Dessert könnte die Gerichte noch abrunden und die Boxen attraktiver machen.
  • Fallstricke in den AGB: Wer ein Koch-Abo nur mal testen möchte, sollte vorher unbedingt einen Blick in die AGB werfen. So hat Kochzauber.de etwa eine Kündigungsfrist von acht Tagen. Auch wenn man sein Abo also gleich wieder kündigt, bekommt man also noch eine zweite Box geliefert und berechnet. Bei anderen Anbietern sehen die Bedingungen ähnlich aus.

Fazit

Ganz so wie der „Dotcomguy“ Mitch Maddox kann man sich mit einem Koch-Abo noch nicht fühlen. Dafür muss man doch noch zu viele Sachen selbst einkaufen und ergänzen. Wer wenig Zeit hat und dennoch gerne kocht und sein Rezept-Portfolio erweitern will, für den ist das Koch-Abo eine willkommene Alternative zum Restaurantbesuch oder Fertiggerichten. Leider sind die Boxen relativ teuer und unflexibel. Bei vielen Anbietern erfährt man zudem erst kurz vorher, welche Gerichte für die aktuelle Woche geliefert werden. Der Überraschungseffekt ist Teil des Konzepts. Es bleibt abzuwarten, ob die Koch-Abo-Anbieter es schaffen, individueller zu werden und sich zugleich preislich einem größeren Publikum zu öffnen. Entscheidend dürfte dabei nicht zuletzt die gute Qualität der Zutaten und die Kreativität der Gerichte sein. Am Ende entscheidet vermutlich das Bauchgefühl, ob das Koch-Abo bei preissensiblen deutschen Kunden dauerhaft eine Chance hat.

 

Tipp: Wer nur einzelne Gerichte zum Selber-Kochen sucht, sollte einen Blick ins Kochhaus in Berlin (Schöneberg, Prenzlauer Berg) und Hamburg (St. Georg, Eimsbüttel) werfen. Hier gibt es Rezepte und die entsprechenden Zutaten ansprechend auf Tischen präsentiert. Der Vorteil: Man sieht vor dem Kauf, was es abends zu Essen gibt und ob einem ein Gericht zusagt. Auch kann man die Rezepte flexibler um eigene Einkäufe ergänzen und z.B. nur die exotischen Zutaten im Kochhaus kaufen, für Möhren und Kartoffeln aber weiterhin zum Discounter an der Ecke gehen.

Nennung von Foto-Urhebern: So machen es die anderen

Die Wellen schlugen hoch nach meinem Artikel über die Verwendung von Photocase-Bildern auf ZEIT Online. Das Onlinemedium versteckt die Angabe von Foto-Urhebern teilweise so gut auf seiner Seite, dass sie für Otto-Normal-User kaum auffindbar ist. Das BILDblog berichtete über den Fall. Es folgten viele Kommentare hier im Blog, in denen eifrig diskutiert wurde, ob die Vorgehensweise von ZEIT Online rechtlich korrekt und ob sie fair gegenüber den Urhebern von Fotos ist.

Ist es ein Einzelfall? Auch andere große Onlinemedien bedienen sich gerne auf Seiten wie Photocase.com. Die Auswahl ist groß und die Preise niedrig. Die Redaktionen sparen dabei, weil Fotos in professionellen Stock-Fotodatenbanken (z.B. GettyImages) natürlich viel teurer sind. Im Prinzip ist daran auch nichts auszusetzen: Wenn die Nutzungsbedingungen beachtet werden und, wie in diesem Fall gefordert, der Urheber klar am Foto benannt wird.

Dass die Onlineausgaben von anderen Zeitungen bei der Nennung von Foto-Urhebern konsequenter sind als ZEIT Online, zeigt ein kurzer Blick ins Internet:


FAZ.net: Wird ein Bild als Teaser verwendet, dann ist es auch im Artikel zu finden. Der Fotograf wird am Foto benannt. Ausnahme: Sonderseiten (etwa zu Cannes)


SZ Magazin: Wird ein Bild als Teaser verwendet, dann ist es auch im Artikel zu finden. Hier steht die Nennung sogar oben direkt unter dem Teaser.


FR-Online.de: Auch hier werden als Teaser verwendete Bilder erneut im Hauptartikel verwendet – und mit Urheberangabe am Foto versehen


Taz.de: Geteaserte Fotos werden auch im Artikel selbst verwendet – und direkt am Foto mit Hinweis auf den Fotografen versehen


NZZ.ch: Auch hier werden Teaserbilder erneut im Artikel verwendet und dort mit Urheber beschriftet. Ausnahme: Die Dossiers.

Halten wir fest: Landauf, landab nennen Onlinemedien die Urheber ihrer Fotos direkt am veröffentlichten Bild. Ein verwendetes Teaserbild wird im Artikel selbst erneut gezeigt und der Urheber dort genannt. Die Onlineseiten lassen den Fotografen damit die Nennung und Anerkennung zukommen, die ihnen zusteht. ZEIT Online versteckt die Quellen ihrer Teaserbilder dagegen in einem schlecht auffindbaren und durch die Nummerierung der Fotos möglicherweise missverständlichen Extra-Fenster.

Ein genauerer Blick auf ZEIT.de

Das nachfolgende Beispiel zeigt, dass ZEIT Online durchaus weiß, wie man Foto-Urheber korrekt benennt. Wird ein Foto im Artikel selbst verwendet, sieht es nämlich so aus:


Die Nennung erfolgt in diesem Fall sogar mit Link zu Photocase. Wird ein Teaserbild nicht im geteaserten Artikel selbst verwendet, erfolgt die Erwähnung des Urhebers hingegen versteckt.


Übersicht zum Selberzählen: Wem gehört das xy. Bild von oben? Wie funktioniert die Zählweise bei verstreuten Bildern auf der Seite? Und wieso werden die Fotos mal verlinkt (rot unterlegt) und mal nicht?

Darüber hinaus scheint das System von ZEIT.de nicht immer zuverlässig zu funktionieren. So zähle ich zum Beispiel auf dieser Seite inklusive aller Teaserbilder ohne Videos, Werbebilder und Grafiken acht Fotos. Benannt sind unter „Bildrechte“ aber nur fünf:

ZEIT Online und die Urheber

Korrektur 01.06.: Wie Frank von photocase.com mir in einem recht harschen Kommentar mitteilte, gibt es wohl doch eine Nennung der Fotourheber auf ZEIT Online. Sie versteckt sich auf der Webseite ganz unten. Wenn ihr jetzt fragt „Wo denn?„, dann geht es euch wie mir. Der Textlink ist zwischen den Menüpunkten „Schlagworte“ und „Datenschutz“ so unauffällig platziert, dass ich ihn beim Schreiben meines Artikels tatsächlich übersehen habe. Ich kenne die Statistiken von ZEIT.de nicht, aber ich vermute mal, dass es sich um einen der am seltensten geklickten Links handeln dürfte. Es öffnet sich jedenfalls ein Layer-Fenster, in welchem die Urheber aller Fotos auf der Seite genannt werden. Und zwar durchnummeriert. Sind also 24 Fotos auf der Seite, muss der Leser diese erst mal selbst durchzählen, bevor er in der Tabelle ablesen kann, wer welches Bild gemacht hat. Juristisch ist das sicher korrekt, aber nicht besonders urheberfreundlich. Der normale Leser wird kaum mitbekommen, dass hier Fotos von externen Quellen wie Photocase verwendet wurden. Warum nicht einfach eine Nennung direkt am Bild (etwa, wie bereits vorgeschlagen, als Zeile, die beim Überfahren mit der Maus sichtbar wird)? Halten wir also fest: Der unten erhobene Vorwurf, es würden auf ZEIT.de keine Urheber von Fotos genannt, ist falsch. Hierfür möchte ich mich entschuldigen. Bestehen bleibt: ZEIT Online bedient sich billig bei Photocase, um dann den Hinweis auf den Urheber so gut wie möglich zu verstecken.

Der ursprüngliche Artikel:

Die ZEIT gibt sich gern als Vorkämpferin der Urheberrechte. Im Netz nimmt sie es aber selbst anscheinend nicht so genau damit…

Als ich gestern auf ZEIT Online stöberte, fiel mein Blick auf ein Foto. Es zeigt die Silhouette eines Mannes, der vor einer Fensterfront entlangläuft. „Das Bild kennst du doch“, war mein spontaner Gedanke. Ein paar Klicks weiter die Gewissheit: Dieses Foto stammt von mir. Ich habe es schon 2004 während einer Führung durch das Bundeskanzleramt gemacht.

Der Mann auf dem Verbindungsgang, das Gegenlicht, es passte einfach alles. Ein Klick und ich hatte das Bild auf der Speicherkarte. Ich war Urheber. Das Bild gefiel mir so gut, dass ich es später bei Photocase.com hochgeladen habe. „Ein Mann – ein Weg“, überschrieb ich es knallig, damit viele es sich anschauen würden.

Auf Photocase hat jeder die Möglichkeit, Fotos hochzuladen und sie anderen zur Verfügung zu stellen. Wer selbst Fotos hochlädt, der bekommt Punkte, mit denen er Fotos von anderen herunterladen kann. Wer selbst nichts hochlädt, kann diese Punkte aber auch gegen Geld erwerben.

ZEIT Online hat das Bild des rundlichen Mannes (der vermutlich kein „kranker Chef“ ist, sondern vielleicht Mitarbeiter des damaligen Kanzlers oder Angestellter des Kanzleramtes) also gekauft. Genauer hat ZEIT Online eine so genannte „Basislizenz“ erworben. Diese gestattet „die Nutzung des Fotos als Bestandteil von „eigenständigen grafischen Werken“ oder in einem „redaktionellen Rahmen“.“

So eine Basislizenz ist nicht teuer. Das Foto mit dem Silhouetten-Mann kostet in der günstigsten Variante weniger als zwei Euro. Im Gegenzug verpflichtet sich der Käufer aber, den Urheber des Fotos zu nennen.

So heißt es unter Punkt 2.4 der Nutzungsbedingungen:

Urheber- und Quellennennung bei Fotos

Der Downloader hat den Fotografen bei der Verwendung des Fotos im Impressum oder am Bild als Urheber mit Namen, und soweit dies nicht möglich ist, mit seinem Benutzernamen bei PHOTOCASE zu nennen (Urhebernennung). Zugleich damit ist PHOTOCASE als Quelle des Fotos zu bezeichnen (Quellennennung). Bei einer Verwendung in Online-Angeboten muss die Nennung mit einem Link zu der Webseite PHOTOCASE unterlegt sein. Eine zulässige Urheber- und Quellenangabe würde daher lauten: „Foto: [Name des Fotografen]./ Quelle PHOTOCASE [in Online-Angeboten entsprechend verlinkt]“. Fotos dürfen jedoch auch ohne Urhebernennung und Quellenangabe genutzt werden, sofern, wenn verfügbar, die entsprechenden erweiterten Nutzungsrechte erworben werden.“

ZEIT Online hätte mich also im Umfeld des Fotos erwähnen und einen Link auf Photocase setzen müssen oder aber die „erweiterten Nutzungsrechte“ kaufen müssen.

Diese sind nicht ganz so günstig: Kostet das Silhouetten-Bild in der Basisversion rund zwei Euro (von denen ich einen Euro erhalte), so wird die „Nutzung ohne Quellenangabe“ mit fast 27 Euro berechnet (von denen ich ebenfalls einen kleineren Anteil erhalte).

ZEIT Online hätte also folgende Möglichkeiten gehabt, das Foto mit der Silhouette des Mannes zu nutzen:

  1. Mich als Urheber benennen (etwa in einer Bildunterzeile oder in der Bezeichnung, die beim Überfahren des Bildes mit dem Mauszeiger sichtbar wird)
  2. Bei Photocase eine Lizenz ohne Nennung der Quellenangabe erwerben (Kostenpunkt rund 27 Euro statt zwei Euro)
  3. Mich über Photocase anschreiben, ob ich die Nutzung des Bildes nicht zu anderen Bedingungen oder kostenfrei gestatte

ZEIT Online hat sich dafür entschieden, sich billig bei Photocase zu bedienen und den Urheber des Fotos nicht wie es sich gehört zu nennen.

 „Wir sind die Urheber“, war der Appell überschrieben, mit dem sich 100 Autoren und Künstler wenige Tage zuvor in der ZEIT gegen den Diebstahl geistigen Eigentums und die Stärkung des Urheberrechts ausgesprochen hatten. Die ZEIT schmückt sich offensichtlich gerne mit diesen Forderungen. Da ist es schon erstaunlich, wenn im dazugehörigen Onlinemedium einfach die bestehenden Regelungen übergangen werden und die Urheber von Fotos absichtlich oder unabsichtlich einfach nicht genannt werden.

„Die alltägliche Präsenz und der Nutzen des Internets in unserem Leben können keinen Diebstahl rechtfertigen und sind keine Entschuldigung für Gier oder Geiz.“, heißt es in der Erklärung weiter. ZEIT Online scheint genau diesem Geiz erlegen zu sein.

Denn wie die Kommentare im Profil von ZEIT Online bei Photocase zeigen, ist der Kauf der günstigen Bilder kein Einzelfall. Dutzende User fragen in den Kommentaren, wo ihr Bild verwendet wurde und ob sie eine Nennung als Quelle bekommen können. Viele freuen sich, dass ein Bild von ihnen verwendet wurde. ZEIT Online reagiert auf diese Kommentare nicht.