Karstadt und Cognac

Altherrendrink? Schon Napoleon soll gerne Cognac getrunken haben. (altes Werbeposter. Reproduktion: Classic Film / Flickr.com)
Altherrendrink? Schon Napoleon soll gerne Cognac getrunken haben. (altes Werbeposter. Reproduktion: Classic Film / Flickr.com)

Man kann vieles sagen, aber nicht, dass sich Karstadt nicht alle Mühe gibt, seine wirklich guten Abteilungen zu verstecken. So etwa das Perfetto, jene hinreißend altmodisch wirkende Mischung aus Gourmetladen und Supermarkt, die unter dem Neuköllner Hermannplatz verborgen auf Kunden wartet. Wer sich oben durch „Wow-Sale“-Ständer mit Mode aus den letzten zwei Jahrzehnten kämpft, kriegt vermutlich gar nicht mit, dass sich unter der Erde ein Schlaraffenland der Köstlichkeiten befindet.

Die natürlichen Stärken von Perfetto liegen dort, wo die normalen Supermärkte schwächeln: Es gibt exzellenten Schinken und Salami, eine Fleischtheke mit Kalb und Weidelamm und jede Menge würzige Bergkäse für eine Brotzeit oder ein Käsefondue. Und es gibt eine Spirituosenabteilung mit einer erstaunlich breiten Auswahl an Whisky und Rum. Genau hier war es, dass ich letztens über einen Angebotsständer mit Cognac stolperte, der wohl schon auf das Weihnachtsgeschäft wartete.

Karstadt und Cognac – das passt perfekt zusammen. Beide haben einen leicht ältlichen Charme, sind schon lange nicht mehr Trend und haben sich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht verändert. Cognac der Altherrendrink, Karstadt das Altherrenkaufhaus. Doch machen wir es uns damit nicht zu einfach? Die Qualität des Cognacs liegt ja gerade im Alter. Über viele Jahre reift er im Holzfass, wird immer noch besser. Und sicher würde uns Genießern auch etwas fehlen, wenn er plötzlich nicht mehr da wäre. Genauso auch das Karstadt: Wo würde ich hingehen, wenn es die Filiale am Hermannplatz mit ihrer großen Haushaltswarenabteilung und mit dem Perfetto im Tiefgeschoss nicht mehr gäbe?

Der Vergleich von Karstadt und Cognac stimmte mich so wehmütig, um ein Haar hätte ich mir den Weinbrand und noch zwei gute Cognacschwenker dazu gekauft. Um anzustoßen auf dieses Kaufhaus. Und auf die große Auswahl. Ich habe es dann doch bei 150g Serrano-Salami und einem Stück Greyerzer-Käse belassen. Gestern habe ich gesehen, dass es den Schweizer Käse inzwischen auch bei LIDL gibt. Harte Zeiten für Karstadt. Auch Napoleon auf seinem weißen Pferd sollte sich besser warm anziehen. Oder noch einen Schluck Cognac trinken. Denn merke: Das wärmste Jäckchen ist immer noch das Kognjäckchen.

Auf Messers Schneide: Koch-Abo im Test

Am Ende wäre Mitch Maddox fast verhungert: Der Computer-Techniker hatte sich im Jahr 2000 vorgenommen, sein Haus für ein Jahr lang nicht mehr zu verlassen. Kleidung, Möbel und sogar sein Essen wollte der 26-jährige nur noch über das Internet bestellen. Er wollte damit den Beweis antreten, dass das Internet mittlerweile alle Lebensbereiche abdecke und die reale Welt draußen zumindest teilweise ersetze. Doch der selbsternannte „Dotcomguy“ hatte einen schlechten Zeitpunkt für sein Experiment gewählt: Die Dot-Com-Krise stand vor der Tür, reihenweise gingen bei den Start-ups die Lichter aus. Am Ende hatten praktisch alle Online-Lieferdienste für Lebensmittel ihren Betrieb eingestellt…

So gesehen ist im Jahr 2012 die Lage weitaus besser: Es gibt nicht nur zahlreiche Shops, in denen man sich Lebensmittel bestellen kann, man kann sich sogar ganze Gerichte mit Rezept an die Haustür liefern lassen.

Koch-Abos heißt diese neue Dienstleistung, die ihren Ursprung wohl in Schweden hat. Das Prinzip ist ganz einfach: Jede Woche erhält man drei bis fünf Rezepte, sowie eine Kiste mit genau abgezählten Zutaten, mit denen man diese kochen kann. Je nach bestelltem Abo reichen die Zutaten für zwei oder mehr Personen.

 

Kochzauber.de im Test

Ich habe beim Anbieter Kochzauber.de angefragt und freundlicherweise eine Kiste mit drei Gerichten zum Testen erhalten. Die Zutaten werden von dem Anbieter einmal pro Woche am Mittwochabend ausgeliefert. Diesen Abend sollte man sich als Koch-Abonnent also frei halten. Wer sein Haus sowieso nie verlässt wie Mitch Maddox, hat es da natürlich einfacher.

Das Öffnen der Box hatte durchaus einen Aha-Effekt: Neben typischen Zutaten wie Möhren, Reis und Hackfleisch, fanden sich auch exotischere Gewächse in der Pappkiste. Um ganz ehrlich zu sein: Einige Gemüsesorten kannten wir selbst noch gar nicht. Wer weiß schon, dass ein Mangold so aussieht wie die gemüsige Variante eines Rhabarbers? Netterweise hat das Kochzauber-Team fast alle Sachen mit kleinen Schildchen beschriftet.

In unserer Box waren die Gerichte „Seelachsfilet auf Mangold-Curry-Bett“, „Glasnudelsalat mit Pak Choi und Hackfleisch“ und eine „Brokkoli-Nuss-Pasta“ enthalten. In der Fünfer-Box hätte es noch eine Suppe mit Chorizo und ein Tofu-Gulasch mit Kartoffelpüree zusätzlich gegeben.

Kochen mit Pak Choi

Wir haben Lust auf Fleisch und entscheiden uns für das zweite Gericht. Nach kurzem Überfliegen des Rezeptheftes gleich die erste Frage: „Wer ist eigentlich dieser Pak Choi? Und kommt der noch vorbei, um uns zu helfen?“ Es wurden sieben Uhr, es wurde halb acht. Aber kein Pak Choi in Sicht. Also beschlossen wir schon mal ohne ihn anzufangen. Knoblauch und Frühlingszwiebeln wurden klein geschnitten und angedünstet. Möhren dazu. Alles soweit kein Problem.

Dann hieß es im Rezept plötzlich: „Schneiden sie den Pak Choi in kleine Stücke“. War dieser Pak Choi etwa doch kein freundlicher Küchenhelfer aus Fernost, sondern ein wie auch immer geartetes Gemüse? Hektisches Kramen in der Box. „Ist dieses grüne Ding etwa ein Pak Choi?“ Nach einem kurzen Blick auf Wikipedia die Gewissheit: Bei dem Gemüse handelt es sich um eine spezielle Kohl-Art. Das Koch-Abenteuer kann weiter gehen…

Mit dem Koch-Abo lernt man nicht nur neue Gemüsesorten oder Gewürze kennen, man kann auch aktiv seine Kochkünste verbessern. So werden etwa das Hackfleisch und das Gemüse getrennt angebraten und erst am Schluss wieder zusammengeführt. Eine Finesse, die vielen Internet-Rezepten fehlt.

Das Ergebnis war durchaus lecker, wenngleich das Gericht „Glasnudelsalat mit Pak Choi und Hackfleisch“ eigentlich kein Salat, sondern eher eine asiatische Pfanne war und etwas an Substanz vermissen ließ (eine Möhre, der Pak Choi, etwas Hackfleisch, dünne asiatische Suppennudeln). Die Mengen sind aber großzügig bemessen, wir konnten auch zu dritt davon essen.

Als das bessere Gericht entpuppte sich am nächsten Tag das Seelachsfilet auf Mangold. Der Fisch hatte eine gute Qualität und die Kombination mit Mangold und rotem Curry war ungewöhnlich, aber sehr geschmackvoll.  Die „Nudeln mit Broccoli und Nuss“ wurden in unserer Runde schnell als „klassisches Kantinengericht“ enttarnt. Nudeln kochen, Broccoli und Frischkäse dazu, am Schluss ein paar Nüsse zur Veredelung drüber – fertig! Kochwettbewerbe gewinnt man damit natürlich nicht.

Der große Vorteil eines Koch-Abos ist zweifelsohne, dass man direkt loslegen kann. So schnell hatten wir nach Feierabend noch nie ein fertiges Gericht auf dem Tisch. Das Stöbern im Kochbuch oder auf Internetseiten nach dem passenden Rezept entfällt ebenso wie die Suche nach exotischen Zutaten im Supermarkt. Die Kochzauber-Box richtet sich wohl vor allem an Leute, die berufstätig sind und wenig Zeit haben. Grundkenntnisse im Kochen sind eventuell vorhanden, vor allem aber ist die Lust da, mal etwas Neues auszuprobieren.

 

Koch-Abos sind kein billiger Spaß

Ein Koch-Abo von Kochzauber mit drei Gerichten für zwei Personen kostet stolze 39 Euro pro Woche – das sind fast 160 Euro pro Monat. Viel Geld für verhältnismäßig wenig Essen. Gefühlt könnte man die Zutaten in der Box bei Edeka oder Rewe vielleicht für 12 bis 15 Euro kaufen. Allerdings bekommt man im Supermarkt natürlich deutliche größere Mengen, kann also auch auf Vorrat oder spontan für mehr Personen kochen. Ein Gericht aus unserer Box kostete umgerechnet 6,50 Euro pro Person (nicht eingerechnet fehlende Grundzutaten und Energiekosten) – dafür kann man in Kreuzberg und Neukölln auch schon ganz gut essen gehen.

Doch natürlich bezahlt man bei Kochzauber auch die Auswahl der Rezepte, das Organisieren der Zutaten (wo bekommt man Mangold, Pak Choi oder roten Curry her?) und die Lieferung nach Hause. Ganz ersparen tut einem das Koch-Abo den Einkauf aber nicht: Zum einen fehlen bei jedem Rezept noch einige wichtige Zutaten (z.B. Öl, einige Gewürze, Gemüsebrühe, Sojasauce), zum anderen sind nur drei Hauptgerichte enthalten. Die restlichen Tage muss man sich also weiterhin selbst versorgen.

 

Mindestens sechs Anbieter in Deutschland

Mit Kochzauber, KommtEssen, HelloFresh, Schlemmertüte, KochAbo und TischLine deck dich kämpfen mindestens sechs Anbieter von so genannten Koch-Abos in Deutschland um einen Markt, von dem nicht mal sicher ist, wie groß er überhaupt ist. Am Anfang probieren sicher viele Leute für ein paar Wochen den Dienst aus. Aber wie viele Kunden sind wirklich bereit, dauerhaft Geld für diese Dienstleistung auszugeben?

 

Ecken und Kanten inklusive

Schaut man sich die Koch-Abos genauer an, werden zudem noch einige „Haken“ des Konzeptes sichtbar:

  • Feste Größen: Die Personenzahl der Kochboxen lässt sich nicht frei bestimmen. Die meisten Anbieter bieten Koch-Abos für zwei, vier oder sechs Personen an. Was machen Singles? Was macht man, wenn überraschend Besuch vorbeikommt? Vor jedem Urlaub muss man zudem daran denken, das Koch-Abo rechtzeitig zu pausieren.
  • Wenig Individualität: Wer bestimmte Gemüsesorten nicht mag, kein Fleisch, keinen Fisch oder kein Tofu mag, kann dies nicht angeben. Einige Koch-Abos bieten spezielle Boxen für Vegetarier an, das war es dann aber auch schon mit der Auswahl.
  • Wenig Bio: Wer sich bevorzugt von Bio-Produkten ernährt, wird mit den Koch-Abos nicht glücklich werden. Zu sehr wird die eigene Entscheidungsmacht beim Einkauf beschnitten. In unserer Kochzauber-Box waren zum Beispiel nur Sahne und Frischkäse aus biologischer Herstellung. Der Fisch hatte keine Zertifizierung (jedenfalls war keine erkennbar), vom Hackfleisch kann man wohl vermuten, dass es aus regulärer Massentierhaltung stammt. Das Gemüse war sehr frisch, aber Bio war es auch nicht. Angesichts des hohen Preises ist das schon erstaunlich.
  • Nichts für Spontane: Wer plötzlich Lust auf Risotto bekommt oder Heißhunger auf Röschti mit Apfelmus hat, dem hilft die Kochbox nur in den seltensten Fällen weiter. Zwar kann man die Reihenfolge der Gerichte selbst bestimmen, aber auf den Tisch kommt, was in der Box ist.
  • Der Kochstil: „Vielfältige Rezepte für eine ausgewogene Ernährung“, verspricht etwa Kochzauber auf seiner Seite. Was man für Männer auch übersetzen könnte mit: „Es gibt viel Gemüse und wenig Fleisch.“ Letzteres ist natürlich auch eine Kostenfrage, denn gutes Fleisch ist teuer. Mit dem Kochstil der jeweiligen Box muss man sich aber arrangieren. Zumindest so lange bis es ein Männer-Kochabo mit Steak und Bohnen-Speck-Pfanne gibt…
  • Keine Zusatzangebote: Wieso liefern die Koch-Abos zum Essen nicht auch gleich den passenden Wein oder ein besonderes Bier mit? Auch ein originelles Dessert könnte die Gerichte noch abrunden und die Boxen attraktiver machen.
  • Fallstricke in den AGB: Wer ein Koch-Abo nur mal testen möchte, sollte vorher unbedingt einen Blick in die AGB werfen. So hat Kochzauber.de etwa eine Kündigungsfrist von acht Tagen. Auch wenn man sein Abo also gleich wieder kündigt, bekommt man also noch eine zweite Box geliefert und berechnet. Bei anderen Anbietern sehen die Bedingungen ähnlich aus.

Fazit

Ganz so wie der „Dotcomguy“ Mitch Maddox kann man sich mit einem Koch-Abo noch nicht fühlen. Dafür muss man doch noch zu viele Sachen selbst einkaufen und ergänzen. Wer wenig Zeit hat und dennoch gerne kocht und sein Rezept-Portfolio erweitern will, für den ist das Koch-Abo eine willkommene Alternative zum Restaurantbesuch oder Fertiggerichten. Leider sind die Boxen relativ teuer und unflexibel. Bei vielen Anbietern erfährt man zudem erst kurz vorher, welche Gerichte für die aktuelle Woche geliefert werden. Der Überraschungseffekt ist Teil des Konzepts. Es bleibt abzuwarten, ob die Koch-Abo-Anbieter es schaffen, individueller zu werden und sich zugleich preislich einem größeren Publikum zu öffnen. Entscheidend dürfte dabei nicht zuletzt die gute Qualität der Zutaten und die Kreativität der Gerichte sein. Am Ende entscheidet vermutlich das Bauchgefühl, ob das Koch-Abo bei preissensiblen deutschen Kunden dauerhaft eine Chance hat.

 

Tipp: Wer nur einzelne Gerichte zum Selber-Kochen sucht, sollte einen Blick ins Kochhaus in Berlin (Schöneberg, Prenzlauer Berg) und Hamburg (St. Georg, Eimsbüttel) werfen. Hier gibt es Rezepte und die entsprechenden Zutaten ansprechend auf Tischen präsentiert. Der Vorteil: Man sieht vor dem Kauf, was es abends zu Essen gibt und ob einem ein Gericht zusagt. Auch kann man die Rezepte flexibler um eigene Einkäufe ergänzen und z.B. nur die exotischen Zutaten im Kochhaus kaufen, für Möhren und Kartoffeln aber weiterhin zum Discounter an der Ecke gehen.

Discounter-Krieg in Kreuzkölln

Aldi war das erste Opfer: Der Markt am Maybachufer war eines Morgens plötzlich weg. Kein Licht, keine Waren, vor der Tür drehte schon der Abrissbagger seine Kreise. An der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln tobt schon seit längerem der Discounter-Krieg. Es geht um viel: So zählt etwa der angrenzende Reuterkiez auf der Neuköllner Seite zu den am dichtesten besiedelten Gebieten von Berlin (und das obwohl es dort fast keine Hochhäuser gibt).

Der Schließung des ALDI war eine Provokation von LIDL nebenan vorangegangen. Der Markt hat dank seines großen Parkplatzes ohnehin schon einen Vorteil im Kampf um die Kunden. LIDL hatte seinen Verkaufsraum renoviert, die Regale umsortiert und sich mit einer Backstation bewaffnet. Man glaubt ja gar nicht, was diese Aufbackapparate für eine Anziehungskraft haben. Davon hängt häufig schon die Entscheidung für oder gegen einen Einkauf dort ab: „Gehen wir zu Aldi oder zu LIDL?“ – „Ach lass doch zu LIDL gehen, bei Aldi gibt es nur dieses labbrige Tütenbrot.“ Entscheidung getroffen. Und die Erfahrung zeigt: Meistens kauft man aus Bequemlichkeit doch nur in einem Supermarkt ein.

Der Discounterkrieg geht weiter! Letzte Woche wollte ich nach dem Schwimmen gehen noch rasch bei Penny vorbei. Auch hier: Der komplette Laden war leergeräumt. Keine Waren, keine Regale, keine Kassen. Stattdessen Handwerker, die den Laden aufrüsten, ihn für den Konkurrenzkampf stählen. So stehen Bier, Wein und Chips jetzt direkt vorne an den Kassen. Wer also nur für den Partyabend einkauft, braucht nicht durch den ganzen Laden zu laufen. Dafür ist der unsägliche Non-Food-Plunder (Billig-Kleidung, schrottige Haushaltsgeräte etc.) nach hinten gewandert. Und auch hier liefert eine Backstation brummend neue Brote im Stundentakt.

So ein Komplettumbau will ja gut überlegt sein. Statistisch gesehen hat ein Supermarkt zwischen 20-30.000 Produkten. Diese Warenmassen müssen schnell und sicher in ein Lager und hinterher wieder zurückgebracht werden. Das steckt schon eine unglaubliche Logistik dahinter. Nicht zu vergessen: Während der ganzen Zeit des Umbaus verdient die Filiale keinen einzigen Cent.

In unserem Kiez scheint es sich jedenfalls zu lohnen. Denn wie ich per sicherer Mundpropaganda erfahren habe: Der Aldi ist gar nicht weg, er lädt nur nach. Der Markt am Maybachufer wird in wenigen Monaten komplett neu aufgebaut. Größer, sauberer und vielleicht sogar mit Backstation. Der Discounter-Krieg in Kreuzkölln geht also weiter…

Wie ich einmal vergeblich versuchte, mir eine Halbjahreskarte fürs Kino zu kaufen

Die Halbjahreskarte für die Yorck-Kinos in Berlin ist eigentlich eine prima Sache: Für 129 Euro kann man sechs Monate lang beliebig viele Filme anschauen. Bei einem Kartenpreis von rund 7 Euro pro Vorstellung lohnt sich die Dauerkarte also, sobald man mehr als drei Mal im Monat ins Kino geht. Nicht zuletzt ist der Besitz aber natürlich auch ein psychologischer Anreiz, um häufiger ins Kino zu gehen. So schaut man sich vielleicht auch Filme an, die man sich sonst nur auf DVD zu Gemüte geführt hätte – allerdings in Kinoatmosphäre.

Diese Woche wollte ich mir also nun eine solche goldene Karte zulegen. Was viele nicht wissen: Schon der Kauf ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. In fünf Anläufen habe ich es dennoch geschafft.

Erster Anlauf
Das Kino Passage in der Karl-Marx-Straße in Neukölln. Eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn.

Ich: „Guten Tag, ich hätte gerne eine Halbjahreskarte.“
Verkäuferin: „Die gibt es gar nicht mehr. Nur noch ein Monatsabo.“
Ich: „Aber mein Bruder hat sich gerade gestern noch eine geholt.“
Mein Bruder springt ein und zückt zum Beweis seine Karte.
Verkäuferin: „Achso, ja die gibt es nur noch als Geschenk.“
Ich: „Na dann möchte ich die mir jetzt selber schenken.“

Daraufhin kramte die Verkäuferin in einem dicken Leitzordner und förderte zwei fotokopierte Anträge zutage, die ich ausfüllen solle. Dann würde ich die Karte bekommen.

Zweiter Anlauf

Ich: „Hallo, da bin ich wieder und ich habe den Antrag ausgefüllt.“
Verkäuferin: „Ok, gehen Sie denn jetzt auch gleich ins Kino?“
Ich: „Ja, wir möchten Tim und Struppi sehen.“
Verkäuferin: „Wissen Sie, es ist ziemlich kompliziert diese Karte im System zu beantragen und ich möchte die anderen Gäste in der Schlange nicht warten lassen. Gehen Sie doch einfach erst mal so ins Kino und kommen sie hinterher wieder zu mir. Ich bereite dann alles soweit vor.“
Ich: „Klar, kein Problem, so machen wir das.“

Langsam schien es zu einer richtigen Herausforderung zu werden.

Dritter Anlauf (nach dem Film)

Ich: „Hallo, ich komme wieder wegen der Halbjahreskarte“
Verkäuferin (überlegt kurz): „Oh ja, na wir können es mal probieren. Haben Sie denn das Geld in bar dabei?“
Ich: „Nehmen Sie keine EC-Karten?“
Verkäuferin: „Keines unserer Kinos nimmt EC-Karten.“
Mein Bruder: „Aber ich habe die Karte gestern im Kantkino mit EC bezahlt.“
Verkäuferin: „Hm ja, die gehören auch eigentlich nicht so wirklich zu uns.“
Ich: „Ok, ich gehe zum Bankautomaten um die Ecke und hole Geld.“
Verkäuferin (fummelt an Webcam herum): „In Ordnung, ich versuche unterdessen die Kamera hinzubekommen. Wir brauchen noch ein Foto für die Karte.“

Vierter Anlauf (nach dem Besuch beim Bankautomaten)
Die Verkäuferin telefoniert. Sie ruft offensichtlich verschiedene Kollegen in anderen Kinos der Yorck-Gruppe an, um sich Rat zu holen. Als sie aufgelegt hat, trete ich an den Tresen.

Ich: „Na, wie sieht es aus mit meiner Karte?“
Verkäuferin: „Also das ist ein größeres Problem. Ich kann ihren Namen nicht in die Felder im System eintragen. Habe es auch schon mit anderen Karten probiert, aber die sind anscheinend irgendwie alle defekt.“
Ich: „Aha, und was machen wir jetzt?“
Verkäuferin: „Also ich kann ihnen die Karte zwar verkaufen, aber dann müssten Sie noch mal in unser Büro in der Zentrale kommen und Namen und Foto nachmachen lassen. Das ist ziemlich umständlich. Oder ich schenke Ihnen den Kinobesuch heute und Sie probieren es in einem unserer anderen Kinos noch mal. Tut mir leid, dass es so kompliziert ist.“

Jeder nicht ganz so gewiefte Jahreskarteninteressent hätte jetzt vermutlich aufgegeben und verzichtet. Aber als richtiger Berlinblogger konnte ich es natürlich nicht lassen, und habe es weiter probiert. Zwei Tage später stand ich beim Filmtheater am Friedrichshain auf der Matte. Zwar quittierte die Verkäuferin meine Frage nach der Jahreskarte auch hier mit einem „Oh je“ und winkte eilig ihre Kollegin zur Unterstützung herbei („Da will schon wieder eine die Halbjahreskarte“), aber der Kauf ging dann überraschend reibungslos über die Bühne. Foto wurde irgendwie keins gemacht, dabei hatte ich mir doch extra vorher noch die Haare gekämmt (nene, kleiner Spaß…). Ende gut, alles gut: Ich habe die Karte im fünften Anlauf erfolgreich gekauft.

Wenn ihr auch mal euer Glück probieren wollt: Eine Halbjahreskarte für die Yorck-Kinos kostet 129 Euro, eine Jahreskarte gibt es für 229 Euro, beides bei Einmalzahlung vorab. Alternativ gibt es auch eine Abo-Karte mit Mindestlaufzeit von 12 Monaten, welche 18,90 Euro pro Monat kostet (und damit absurderweise günstiger als die Einmalzahlung ist).

Das Nichts im Kühlregal

Als ich letzten Freitag bei meinem Lieblingsdiscounter hinter der Gemüsetheke scharf rechts abbog, um noch etwas Milch zu holen, stand ich plötzlich vor dem Nichts. Alle Kühlregale leer. Was ist denn hier los? Zuerst dachte ich, der Marktleiter hätte wieder eine Gratis-Einkaufen-Aktion gestartet und den Teilnehmern vielleicht versehentlich 30 statt 3 Minuten Zeit gelassen. Mein zweiter Gedanke galt dem Ende des Fastenmonats Ramadan. Hatten hungrige Muslime etwa Streichkäse und Geflügelsalami komplett aufgekauft? Konnte das wirklich sein?

„Ne, die Kühltruhe hat leider die Hitze nicht vertragen“, erklärte die Verkäuferin auf Nachfrage und lieferte damit eine realistischere Einschätzung. Ich vergaß leider sie zu fragen, was mit den ganzen schönen Sachen passiert war. Was macht ein Supermarkt in diesem Fall? Wegwerfen? Schnell alles abholen lassen und in einen anderen Markt umlagern? An Die Tafeln spenden? Die Folge war jedenfalls klar sichtbar: Es gab keine Wurst, keinen Käse, keine Milch und keinen Joghurt. Da merkt man erst mal, wie abhängig man eigentlich von diesen Dingen ist. Klar, es gibt Wurst auch getrocknet oder als Schmierfleisch in Dosen, Käse auch als Scheibletten und Milch als H-Milch. Aber ein echter Genuss ist das nicht.

Umso froher war ich, als die Kühltruhen heute wieder gemütlich brummten: Ich bin dem Nichts im Kühlregal noch einmal entronnen. Und kaufe wieder fröhlich Wurst, Käse, Milch und auch Joghurt.

Operation Hamsterkauf

Sammy wuchtet eine Kiste Champagner in den Einkaufswagen. Jetzt schnell um die Ecke, wo der Stapel mit den Pick-up-Keksen wartet. Noch zehn Sekunden! Mein Bruder hechtet zum Shampoo-Regal, greift sich eine Palette. „Schluss, aus!“, signalisiert der Marktleiter. Drei Minuten Speedshopping im LIDL sind vorbei. Und das hat sich gelohnt! Sammys Wagen ist randvoll: Kaffee, Olivenöl, Champagner, Schokolade. Nicht weniger als 295 einzelne Artikel mit einem Gesamtwert von 821,29 Euro hat er zusammengerafft. Kein Wunder, dass die Kasse noch piept, als der nächste Teilnehmer schon an den Start geht…

Fünf Kunden kamen im Rahmen des Gewinnspiels zur Wiedereröffnung des LIDL-Marktes am Neuköllner Maybachufer in den Genuss des Gratis-Einkaufes. Vor allem Kaffee und Schokolade waren beliebt. Ein Türke im Deutschland-Trikot lud sich den Wagen voller Scheiben-Käse. Mehr als 1000 Euro zeigte die Kasse bei ihm am Ende an. Und wofür der ganze Billig-Gouda? „Ich habe eine große Familie“, erklärte er stolz und fragte dann: „Und was habt ihr mitgenommen?“

Es zeigte sich deutlich: Wer sich auf das Speedshopping gründlich vorbereitet hatte, konnte am Ende deutlich mehr Produkte mitnehmen. Ein Rundgang durch den Supermarkt vor dem Start gehörte da fast schon zum Standard-Repertoire. Ernsthafte Speedshopper gehen noch weiter.

Hier deshalb vier Tipps für den optimalen Drei-Minuten-Einkauf:

1. Ziel formulieren

Während einige Speedshopper auf einen möglichst hohen Warenwert aus sind, greifen andere bevorzugt zu Produkten, die sie gerne mögen oder die sie sich sonst nicht gönnen. Das Ziel sollte vorher festgelegt werden, damit man sich beim hektischen Schnelleinkauf nicht verzettelt. Wichtig auch das Regelwerk: Dürfen ganze Paletten mitgenommen werden (optimal), sind Produkte ausgenommen (häufig Spirituosen, Zigaretten, Zeitschriften), gibt es attraktive Sonderposten?

2. Heiße Produkte auswählen

Attraktive Speedshopping-Produkte zeichnen sich durch einen hohen Wert bei vergleichsweise handlicher Packungsgröße aus. Das sind meistens Luxusgüter: Kaffee vereint einen hohen Wert in sich. Fleisch, Fisch, Wein und Süßigkeiten auch. Unattraktiv für Schnellkäufer sind billige Produkte (Nudeln) oder solche mit unhandlichen Verpackungen (Toilettenpapier). Wichtig auch persönliche Präferenzen: Wer keine Dosen-Makrelen mag, sollte sich nicht den ganzen Wagen damit vollladen.


Was für den Laien nach wirrem Gekritzel aussieht, ist für den erfahrenen Speedshopper der Plan zum optimalen Drei-Minuten-Einkauf

3. Schlachtplan entwickeln

Zu einer ausgeklügelten Vorbereitung gehört ein fundierter Schlachtplan nach ISO-Norm 20779B. Mehrere Tage vor dem Termin bereits durch den Markt gehen und eine Skizze der Regalreihen anfertigen. Die gewünschten Produkte markieren. Schnell wird deutlich: In einigen Gängen liegen viele attraktive Sachen, andere sind dagegen Zeitfallen. Hot Zones des Marktes werden farbig markiert – hier gibt es viel Gutes auf einmal! Vorsicht vor den Risikozonen: Vor dem Obst- und Gemüseregal parken unbedarfte Kunden gerne ihre Wagen, versperren dem ambitionierten Speedshopper den Weg. Zeitverlust von mehreren Sekunden droht! Anhand der Karte entscheidet man sich dann für die beste Route. Nicht zu viel vornehmen: Drei Minuten sind schneller vorbei als man denkt.

4. Der Tag des Wettkampfes

Vor dem Start noch einmal die geplante Route durchgehen und im Kopf visualisieren. Aufwärmübungen machen. Smalltalk mit den anderen Teilnehmern führen. Dann geht es an den Start: Schnell zum ersten Regal sprinten. Wo möglich, immer ganze Paletten greifen, da sich diese besser im Einkaufswagen stapeln lassen. Liegen nur zwei bis drei Meter zwischen den Zielprodukten, den Wagen kurz stehen lassen. Auf die Route konzentrieren. Kurz vor Schluss: Nicht stehenbleiben, sondern im direkten Umfeld willkürlich Sachen in den Wagen packen. Am Ende entscheidet manchmal eine Tütensuppe über Sieg oder Niederlage.