Im Grenzgebiet von Kreuzkölln

Liegt der Hermannplatz in Kreuzberg oder in Neukölln? „Ganz klar Kreuzberg“, sagen die einen und nicken bekräftigend. „Neukölln natürlich“, sagen die anderen und nicken ebenfalls kräftig. Klar ist: Die Grenzen in Kreuzkölln sind völlig verwischt. Ob im Graefe- oder Reuterkiez, das ist eigentlich egal – überall sehen die Szenekneipen, Self-Made-Designer-Läden und Spätis gleich aus. Und die dazugehörigen Hipster, mal ganz unter uns, die sehen auch überall gleich aus. Wer weiß da noch, wem der Hermannplatz gehört?

Die Zuordnung fällt nicht gerade leicht, denn Bezirksgrenzen sind in Berlin nicht deutlich markiert. Also ein Blick ins Internet: Doch auch die Standardwaffe Google Maps hilft hier nicht weiter. Die Berliner Bezirksgrenzen sind auf der Karte nicht eingezeichnet. Sucht man per Adresssuche direkt nach dem Hermannplatz, gibt Google Maps als Bezirk ‚Kreuzberg‘ an. Doch stimmt das auch?

Ich will eine offizielle Antwort. Bei meinen Recherchen stoße ich auf das Tool Fisbroker, das von den Bezirksämtern bereit gestellt wird. Optisch ist die Seite irgendwo in den 90ern stehengeblieben. Aber die Karten stimmen. Und sie zeigen eindeutig: Die Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln verläuft genau über den Hermannplatz. Wenn man bei Karstadt einkauft, befindet man sich noch in Kreuzberg. Geht man aber in Richtung Hermannplatz aus der Tür, steht man plötzlich in Neukölln. Der Platz mit unscheinbarer Statue, Currywurstbude und Asia-Imbiss gehört ebenfalls zu dem Bezirk. Google Maps liegt mit seiner Kreuzberger Angabe also falsch.

Der Kottbusser Damm, wird selbst von gebürtigen Berlinern zu Neukölln gezählt. Falsch! Denn laut offizieller Bezirkskarte liegt er komplett in Kreuzberg.

Der Grenzverlauf über den Hermannplatz hinweg sorgt noch für ein anderes Kuriosum: Weil das Gebäude von Karstadt ab der ersten Etage in Neukölln hineinragt, muss das Kaufhaus jährlich eine nicht unerhebliche „Luftsteuer“ an den Bezirk zahlen.

Die Penner auf dem Platz stört das alles nicht: Sie haben ihre Biersteuer schon bezahlt. Rund 9 Cent pro Flasche Sterni. Egal ob in Kreuzberg oder in Neukölln.

Street-Art in Kreuzberg (Folge 1)

Wer in Kreuzberg wohnt, dem fällt schon nach kurzer Zeit die hohe Dichte an kreativer Street-Art auf. An den Hauswänden tummelt sich eine ganze Schar bunter Sprüh- und Klebemotive. Wer genau hinschaut, kann schon bei einem kurzen Spaziergang um den Block die Bekanntschaft mit Buddha, Charlie Chaplin und Mona Lisa machen. Inspiriert vom Blog meiner Schwester war ich mit der Kamera unterwegs und bin rund um den Görlitzer Bahnhof fündig geworden. Aber seht selbst:

Der große Komiker Chaplin mal ganz klein: Als Schablonenspray an einer Hausecke nahe dem Görlitzer Bahnhof. Schön auch die dazugehörige rote Blume, deren Stiel kunstvoll in den Boden übergeht und so eine Rahmung für das Gesamtwerk schafft. Witziges Detail ist die Zigarettenkippe: Guckt Chaplin-Junior etwa so verschmitzt, weil er sie gerade unaufällig entsorgt hat?

Einen Glimmstengelwurf entfernt ruft Mona Lisa höchstpersönlich die Passanten zu etwas Ruhe auf. Sicher eine Reaktion auf den nächtlichen Trubel in der nahegelegenen Partymeile Oranienstraße.

Hier wird scharf geschossen: Die beiden Pistoleros bewachen einen Hauseingang am Görli und verteidigen ihn gegen anstürmende Köter, die hier nur zu gerne ihr Bein heben und zielgerichtet das Bewag-Emblem anpissen. Vorteil der Street-Art: Sie ist abwischbar und wasserbeständig.

Wer ist Zaira? Eine kurze Google-Suche bringt folgende Ergebnisse: Ein Modell mit verträumt-grünbraunen Augen, eine Russische Dichterin und ein Kaffeeservice von Villeroy & Boch. Der Unterteller sieht dem Hut der Dame auf dem Bild sogar ein wenig ähnlich. Wie dem auch sei: In Schwarz-Weiß hebt sich die unbekannte Schöne jedenfalls schön von der bunt besprühten Hauswand ab. Ein kleines Meisterwerk, dass leider schon erste Spuren des Verfalls zeigt…

Um Buddha einen Besuch abzustatten und sich etwas Street-Art-Liebe abzuholen, muss man sich vom Görli südlich halten. Über den Fluss rüber und dann ist man fast da. Hier am Rand von Neukölln wartet er in der Pflügerstraße auf Pilger.

An sich halte ich Fotos mit GPS-Informationen (so genannte Geotags) ja für ziemlichen Schnickschnack. Aber hier wären sie doch mal praktisch: Anhand der verknüpften Koordinaten könnte schließlich jeder genau sehen, wo gerade welche Street-Art an der Hauswand „ausgestellt“ ist. Und würde den Buddha oben womöglich schneller finden, als mit meiner Beschreibung.

Die Flickr-Gruppe „RYC Berlin Urban-Art Map“ hat sich an solch einer virtuellen Street-Art-Karte für Berlin versucht. Per Mausklick sieht man, wo welches Straßenkunstwerk aufgenommen wurde. Es sind allerdings erst rund 100 von über 300 aufgenommenen Motiven mit Geotags versehen und so auf der Karte lokalisierbar. Ein weiteres Problem stellt die kurze Halbwertszeit der Werke dar: Viele Bilder sind schon nach kurzer Zeit wieder verschwunden oder werden durch Neue ersetzt.

Und so kann es sein, dass ihr bei eurem nächsten Spaziergang durch Berlin nicht Buddha, Charlie Chaplin oder Mona Lisa sondern ganz andere Prominente trefft. Street-Art in Berlin bleibt dynamisch und wild. Und hebt sich in ihrer kreativen Qualität wohltuend von den eher kargen Versuchen in anderen, kleineren Städten ab.