Café Two and Two in der Pannierstraße

Das obere Ende der Pannierstraße in Neukölln entwickelt sich langsam aber sicher zu einer Ecke für richtig gute Cafés. Vis à vis der fast schon legendären Croissanterie (einem der wenigen Orte in Berlin, an dem man täglich leckerste Croissants wie in Frankreich bekommt) hat jetzt das Café Two and Two  eröffnet.

Das kleine Café hat sich auf die ungewöhnliche Kombination „Französische Leckereien & japanische Schreibwaren“ spezialisiert und wird von zwei sympathischen jungen Frauen betrieben. In ihrem Blog zeigen sie mit vielen Fotos, wie sie im letzten halben Jahr den abgerockten ehemaligen Friseursalon „Salon Albarjawi“ in ein charmantes kleines Café verwandelt haben. So kann man ihnen beim Werken an Türfüllungen, beim Kauf eines professionellen Geschirrspülers oder dem Ausprobieren von neuen Kuchenrezepten über die Schulter schauen.

Das Interieur des Café Two and Two ist hell und japanisch-minimalistisch gehalten. Man sitzt auf niedrigen Sesseln, einige sind Vintage, andere neu. In der Ecke steht ein altes dunkelrotes Telefon als Deko, an der Wand hängen frisch gemalte Ölbilder. Alles wirkt noch ein bisschen improvisiert, aber durchaus charmant.

Neben den üblichen Kaffeevariationen (für besonders hippe Leute gibt es ihn auch in Form von frisch aufgebrühtem Filterkaffee deluxe) stehen auch frischer Ingwer- oder Minztee auf den hübsch gestalteten Speisekarten. Verführerisch lachen einen herzhafte Quiches und hausgemachte Kuchen aus der Theke am Eingang an.

Wir entscheiden uns für Apfelkuchen und Schokokuchen (Gâteau au chocolat) und ergänzen die Bestellung um einen Cappuccino und einen frischen Minztee. Der Kaffee ist kräftig-würzig, genau das Richtige an so einem verregneten Winternachmittag. Auch die Kuchen überzeugen: Der Schokokuchen hat eine knusprige Kruste, ist dabei innen noch feucht und erinnert stark an einen Brownie. Schokoladiglecker! Auch der Apfelkuchen ist wirklich sehr gut: Brüchiger Mürbeteig mit Äpfeln belegt und fein mit Zimt abgeschmeckt. Ich habe in meinem Leben schon viele Apfelkuchen probiert, aber dieser hier gehörte ohne Zweifel zu den Besten.

Womit wir bei den japanischen Schreibwaren wären: Die belegen einen Platz in einer Vitrine im Vorraum und scheinen eher ein Nebengeschäft zu sein. Es gibt Federmäppchen, Notizhefte und Stifte – alles in allem aber eine eher kleine Auswahl.

Café Two and Two Berlin – Französische Leckereien und Japanische Schreibwaren, Pannierstr. 6 in Berlin-Neukölln hat Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Im Web: http://www.twoandtwoberlin.com/

Auf Messers Schneide: Koch-Abo im Test

Am Ende wäre Mitch Maddox fast verhungert: Der Computer-Techniker hatte sich im Jahr 2000 vorgenommen, sein Haus für ein Jahr lang nicht mehr zu verlassen. Kleidung, Möbel und sogar sein Essen wollte der 26-jährige nur noch über das Internet bestellen. Er wollte damit den Beweis antreten, dass das Internet mittlerweile alle Lebensbereiche abdecke und die reale Welt draußen zumindest teilweise ersetze. Doch der selbsternannte „Dotcomguy“ hatte einen schlechten Zeitpunkt für sein Experiment gewählt: Die Dot-Com-Krise stand vor der Tür, reihenweise gingen bei den Start-ups die Lichter aus. Am Ende hatten praktisch alle Online-Lieferdienste für Lebensmittel ihren Betrieb eingestellt…

So gesehen ist im Jahr 2012 die Lage weitaus besser: Es gibt nicht nur zahlreiche Shops, in denen man sich Lebensmittel bestellen kann, man kann sich sogar ganze Gerichte mit Rezept an die Haustür liefern lassen.

Koch-Abos heißt diese neue Dienstleistung, die ihren Ursprung wohl in Schweden hat. Das Prinzip ist ganz einfach: Jede Woche erhält man drei bis fünf Rezepte, sowie eine Kiste mit genau abgezählten Zutaten, mit denen man diese kochen kann. Je nach bestelltem Abo reichen die Zutaten für zwei oder mehr Personen.

 

Kochzauber.de im Test

Ich habe beim Anbieter Kochzauber.de angefragt und freundlicherweise eine Kiste mit drei Gerichten zum Testen erhalten. Die Zutaten werden von dem Anbieter einmal pro Woche am Mittwochabend ausgeliefert. Diesen Abend sollte man sich als Koch-Abonnent also frei halten. Wer sein Haus sowieso nie verlässt wie Mitch Maddox, hat es da natürlich einfacher.

Das Öffnen der Box hatte durchaus einen Aha-Effekt: Neben typischen Zutaten wie Möhren, Reis und Hackfleisch, fanden sich auch exotischere Gewächse in der Pappkiste. Um ganz ehrlich zu sein: Einige Gemüsesorten kannten wir selbst noch gar nicht. Wer weiß schon, dass ein Mangold so aussieht wie die gemüsige Variante eines Rhabarbers? Netterweise hat das Kochzauber-Team fast alle Sachen mit kleinen Schildchen beschriftet.

In unserer Box waren die Gerichte „Seelachsfilet auf Mangold-Curry-Bett“, „Glasnudelsalat mit Pak Choi und Hackfleisch“ und eine „Brokkoli-Nuss-Pasta“ enthalten. In der Fünfer-Box hätte es noch eine Suppe mit Chorizo und ein Tofu-Gulasch mit Kartoffelpüree zusätzlich gegeben.

Kochen mit Pak Choi

Wir haben Lust auf Fleisch und entscheiden uns für das zweite Gericht. Nach kurzem Überfliegen des Rezeptheftes gleich die erste Frage: „Wer ist eigentlich dieser Pak Choi? Und kommt der noch vorbei, um uns zu helfen?“ Es wurden sieben Uhr, es wurde halb acht. Aber kein Pak Choi in Sicht. Also beschlossen wir schon mal ohne ihn anzufangen. Knoblauch und Frühlingszwiebeln wurden klein geschnitten und angedünstet. Möhren dazu. Alles soweit kein Problem.

Dann hieß es im Rezept plötzlich: „Schneiden sie den Pak Choi in kleine Stücke“. War dieser Pak Choi etwa doch kein freundlicher Küchenhelfer aus Fernost, sondern ein wie auch immer geartetes Gemüse? Hektisches Kramen in der Box. „Ist dieses grüne Ding etwa ein Pak Choi?“ Nach einem kurzen Blick auf Wikipedia die Gewissheit: Bei dem Gemüse handelt es sich um eine spezielle Kohl-Art. Das Koch-Abenteuer kann weiter gehen…

Mit dem Koch-Abo lernt man nicht nur neue Gemüsesorten oder Gewürze kennen, man kann auch aktiv seine Kochkünste verbessern. So werden etwa das Hackfleisch und das Gemüse getrennt angebraten und erst am Schluss wieder zusammengeführt. Eine Finesse, die vielen Internet-Rezepten fehlt.

Das Ergebnis war durchaus lecker, wenngleich das Gericht „Glasnudelsalat mit Pak Choi und Hackfleisch“ eigentlich kein Salat, sondern eher eine asiatische Pfanne war und etwas an Substanz vermissen ließ (eine Möhre, der Pak Choi, etwas Hackfleisch, dünne asiatische Suppennudeln). Die Mengen sind aber großzügig bemessen, wir konnten auch zu dritt davon essen.

Als das bessere Gericht entpuppte sich am nächsten Tag das Seelachsfilet auf Mangold. Der Fisch hatte eine gute Qualität und die Kombination mit Mangold und rotem Curry war ungewöhnlich, aber sehr geschmackvoll.  Die „Nudeln mit Broccoli und Nuss“ wurden in unserer Runde schnell als „klassisches Kantinengericht“ enttarnt. Nudeln kochen, Broccoli und Frischkäse dazu, am Schluss ein paar Nüsse zur Veredelung drüber – fertig! Kochwettbewerbe gewinnt man damit natürlich nicht.

Der große Vorteil eines Koch-Abos ist zweifelsohne, dass man direkt loslegen kann. So schnell hatten wir nach Feierabend noch nie ein fertiges Gericht auf dem Tisch. Das Stöbern im Kochbuch oder auf Internetseiten nach dem passenden Rezept entfällt ebenso wie die Suche nach exotischen Zutaten im Supermarkt. Die Kochzauber-Box richtet sich wohl vor allem an Leute, die berufstätig sind und wenig Zeit haben. Grundkenntnisse im Kochen sind eventuell vorhanden, vor allem aber ist die Lust da, mal etwas Neues auszuprobieren.

 

Koch-Abos sind kein billiger Spaß

Ein Koch-Abo von Kochzauber mit drei Gerichten für zwei Personen kostet stolze 39 Euro pro Woche – das sind fast 160 Euro pro Monat. Viel Geld für verhältnismäßig wenig Essen. Gefühlt könnte man die Zutaten in der Box bei Edeka oder Rewe vielleicht für 12 bis 15 Euro kaufen. Allerdings bekommt man im Supermarkt natürlich deutliche größere Mengen, kann also auch auf Vorrat oder spontan für mehr Personen kochen. Ein Gericht aus unserer Box kostete umgerechnet 6,50 Euro pro Person (nicht eingerechnet fehlende Grundzutaten und Energiekosten) – dafür kann man in Kreuzberg und Neukölln auch schon ganz gut essen gehen.

Doch natürlich bezahlt man bei Kochzauber auch die Auswahl der Rezepte, das Organisieren der Zutaten (wo bekommt man Mangold, Pak Choi oder roten Curry her?) und die Lieferung nach Hause. Ganz ersparen tut einem das Koch-Abo den Einkauf aber nicht: Zum einen fehlen bei jedem Rezept noch einige wichtige Zutaten (z.B. Öl, einige Gewürze, Gemüsebrühe, Sojasauce), zum anderen sind nur drei Hauptgerichte enthalten. Die restlichen Tage muss man sich also weiterhin selbst versorgen.

 

Mindestens sechs Anbieter in Deutschland

Mit Kochzauber, KommtEssen, HelloFresh, Schlemmertüte, KochAbo und TischLine deck dich kämpfen mindestens sechs Anbieter von so genannten Koch-Abos in Deutschland um einen Markt, von dem nicht mal sicher ist, wie groß er überhaupt ist. Am Anfang probieren sicher viele Leute für ein paar Wochen den Dienst aus. Aber wie viele Kunden sind wirklich bereit, dauerhaft Geld für diese Dienstleistung auszugeben?

 

Ecken und Kanten inklusive

Schaut man sich die Koch-Abos genauer an, werden zudem noch einige „Haken“ des Konzeptes sichtbar:

  • Feste Größen: Die Personenzahl der Kochboxen lässt sich nicht frei bestimmen. Die meisten Anbieter bieten Koch-Abos für zwei, vier oder sechs Personen an. Was machen Singles? Was macht man, wenn überraschend Besuch vorbeikommt? Vor jedem Urlaub muss man zudem daran denken, das Koch-Abo rechtzeitig zu pausieren.
  • Wenig Individualität: Wer bestimmte Gemüsesorten nicht mag, kein Fleisch, keinen Fisch oder kein Tofu mag, kann dies nicht angeben. Einige Koch-Abos bieten spezielle Boxen für Vegetarier an, das war es dann aber auch schon mit der Auswahl.
  • Wenig Bio: Wer sich bevorzugt von Bio-Produkten ernährt, wird mit den Koch-Abos nicht glücklich werden. Zu sehr wird die eigene Entscheidungsmacht beim Einkauf beschnitten. In unserer Kochzauber-Box waren zum Beispiel nur Sahne und Frischkäse aus biologischer Herstellung. Der Fisch hatte keine Zertifizierung (jedenfalls war keine erkennbar), vom Hackfleisch kann man wohl vermuten, dass es aus regulärer Massentierhaltung stammt. Das Gemüse war sehr frisch, aber Bio war es auch nicht. Angesichts des hohen Preises ist das schon erstaunlich.
  • Nichts für Spontane: Wer plötzlich Lust auf Risotto bekommt oder Heißhunger auf Röschti mit Apfelmus hat, dem hilft die Kochbox nur in den seltensten Fällen weiter. Zwar kann man die Reihenfolge der Gerichte selbst bestimmen, aber auf den Tisch kommt, was in der Box ist.
  • Der Kochstil: „Vielfältige Rezepte für eine ausgewogene Ernährung“, verspricht etwa Kochzauber auf seiner Seite. Was man für Männer auch übersetzen könnte mit: „Es gibt viel Gemüse und wenig Fleisch.“ Letzteres ist natürlich auch eine Kostenfrage, denn gutes Fleisch ist teuer. Mit dem Kochstil der jeweiligen Box muss man sich aber arrangieren. Zumindest so lange bis es ein Männer-Kochabo mit Steak und Bohnen-Speck-Pfanne gibt…
  • Keine Zusatzangebote: Wieso liefern die Koch-Abos zum Essen nicht auch gleich den passenden Wein oder ein besonderes Bier mit? Auch ein originelles Dessert könnte die Gerichte noch abrunden und die Boxen attraktiver machen.
  • Fallstricke in den AGB: Wer ein Koch-Abo nur mal testen möchte, sollte vorher unbedingt einen Blick in die AGB werfen. So hat Kochzauber.de etwa eine Kündigungsfrist von acht Tagen. Auch wenn man sein Abo also gleich wieder kündigt, bekommt man also noch eine zweite Box geliefert und berechnet. Bei anderen Anbietern sehen die Bedingungen ähnlich aus.

Fazit

Ganz so wie der „Dotcomguy“ Mitch Maddox kann man sich mit einem Koch-Abo noch nicht fühlen. Dafür muss man doch noch zu viele Sachen selbst einkaufen und ergänzen. Wer wenig Zeit hat und dennoch gerne kocht und sein Rezept-Portfolio erweitern will, für den ist das Koch-Abo eine willkommene Alternative zum Restaurantbesuch oder Fertiggerichten. Leider sind die Boxen relativ teuer und unflexibel. Bei vielen Anbietern erfährt man zudem erst kurz vorher, welche Gerichte für die aktuelle Woche geliefert werden. Der Überraschungseffekt ist Teil des Konzepts. Es bleibt abzuwarten, ob die Koch-Abo-Anbieter es schaffen, individueller zu werden und sich zugleich preislich einem größeren Publikum zu öffnen. Entscheidend dürfte dabei nicht zuletzt die gute Qualität der Zutaten und die Kreativität der Gerichte sein. Am Ende entscheidet vermutlich das Bauchgefühl, ob das Koch-Abo bei preissensiblen deutschen Kunden dauerhaft eine Chance hat.

 

Tipp: Wer nur einzelne Gerichte zum Selber-Kochen sucht, sollte einen Blick ins Kochhaus in Berlin (Schöneberg, Prenzlauer Berg) und Hamburg (St. Georg, Eimsbüttel) werfen. Hier gibt es Rezepte und die entsprechenden Zutaten ansprechend auf Tischen präsentiert. Der Vorteil: Man sieht vor dem Kauf, was es abends zu Essen gibt und ob einem ein Gericht zusagt. Auch kann man die Rezepte flexibler um eigene Einkäufe ergänzen und z.B. nur die exotischen Zutaten im Kochhaus kaufen, für Möhren und Kartoffeln aber weiterhin zum Discounter an der Ecke gehen.

Sushi-Ecken im Untergrund

Mittags auf dem Kottbusser Damm: Türkische Mütter gehen einkaufen. Bärtige Männer sitzen im Café oder promenieren über die nicht vorhandene Promenade. In den Buden drehen sich Dönerspieße brutzelnd im Kreis.

Wer die schmuddeligen Treppen zum U-Bahnhof Schönleinstraße hinuntereilt, der erwartet sicher vieles, aber kein hochwertiges Fast-Food. Und doch gibt es seit kurzem mitten auf dem Bahnsteig der Linie U8 einen neuen Imbiss, der Onigiri verkauft.

Oni…wie? Onigiri sind Reis-Taschen, die ursprünglich aus Japan und Korea kommen. Ein Meeresalgenblatt bildet die Hülle für die herzhafte Füllung aus gekochtem Fisch, Fleisch oder Gemüse und jeder Menge Klebereis. Die aktuellen Kreationen heißen zum Beispiel „Lachs & scharfe Pflaume“, „Hühnchen & Süßkartoffel“ oder „Umeboshi & Stangensellerie“.

Ich entscheide mich für die Variante mit Lachs und scharfer Pflaumensoße. Geschmacklich kann diese durchaus überzeugen: Das Lachsfilet in der Mitte der Tasche ist mit bloßem Auge zu erkennen und hat ein zartes Aroma, welches gut mit der süßlichen Schärfe der Soße harmoniert. Ähnlich wie bei Sushi ist der Eigengeschmack der Tasche im Ganzen aber eher zurückhaltend. Hier würde vielleicht Sojasauce weiterhelfen (die unterwegs aber denkbar unpraktisch ist).

Noch eine weitere Eigenschaft teilt Onigiri mit Sushi: Es macht nicht richtig satt. Um eine Hauptmahlzeit zu bestreiten, muss man schon zwei oder drei der handlichen Taschen essen. Etwas seltsam wirkt da der Werbespot, der auf einem Bildschirm an der Bude gezeigt wird: Onigiri wird da als Alternative zu Currywurst und Döner präsentiert. Tatsächlich ist es eher ein kleiner Snack.

Zwischen 2,50 Euro und 3 Euro kostet ein Onigiri. Das ist ganz schön viel und lässt sich eigentlich auch nicht mit der versprochenen Bio-Qualität rechtfertigen. Für einen Snack zu teuer – für eine Hauptmahlzeit zu klein? Jedenfalls kann man für den Preis von drei Reistaschen im nahe gelegenen Reuterkiez schon ziemlich gut essen gehen.

Was uns zu der Lage bringt: Die wirkt skurril angesichts der Nachrichten der letzten Monate. Die Schönleinstraße sei ein „Drogenbahnhof“ hieß es da und zähle neben dem Kottbusser Tor zu den zwielichtigsten Stationen überhaupt in Berlin. Warum eröffnet ausgerechnet hier einen Edel-Imbiss?

Die Antwort weiß Thorsten Reuter, der Geschäftsführer von Rice Up. Eben noch hat er einer holländischen Besuchergruppe die Vorzüge des Onigiri-Konzeptes erklärt, jetzt wendet er sich mir zu: „Den Standort haben wir bewusst gewählt, wir wollten ein Paradoxon in dieser Umgebung schaffen“, sagt er. Wer ein paar Stunden im Bahnhof arbeite, sehe das Leben in seiner ganzen Bandbreite vorüberziehen. Vom Studenten bis zum Junkie komme hier jeder lang. „Mit dem Imbiss wollen wir zeigen, dass ein Miteinander von beiden Welten möglich ist“, sagt Reuter und klingt dabei ein bisschen so, als hätte er gerade ein soziales Hilfsprojekt eingeweiht.

Tatsächlich richtet sich Rice Up Onigiri aber an eine ganz bestimmte Klientel: Es sind Leute, die sich bewusst ernähren und dafür gerne auch etwas mehr ausgeben. Die experimentierfreudig sind und das anderen auch gerne zeigen. Es sind Hippster, die Onigiri kaufen und nicht Kleinverdiener oder Junkies.

Thorsten Reuter erzählt von seinen Ausbauplänen: Ein mobiler Imbisswagen werde gerade umgebaut, bis zum Ende des Jahres soll es noch einen zweiten Standort in Berlin geben. Es sind ambitionierte Ziele.

Wieder oben am Tageslicht, kommen sie einem gleich nochmal so ambitioniert vor: Die Dönerläden hier tragen einen harten Preiskampf aus. 1,49 Euro schreit es in roten und gelben Lettern von den Schildern. Auch Gemüse-Kebap steht hoch im Kurs. Überhaupt herrscht an günstigen Imbissen kein Mangel: Currywurst, Vietnamesisch, Grillhähnchen, Hamburger – die Liste ist lang. Ob da noch Platz für Onigiri ist?

Thorsten Reuter kämpft derweil noch an einer ganz anderen Front. Er will Werbeplakate an der Treppe zur U-Bahn aufhängen. Doch die Werbefirma der BVG lehnte ab: Die Plakate würden das Erscheinungsbild des Bahnhofs Schönleinstraße stören. Da ist es wieder, das Paradoxon von der Schönleinstraße.

Der Eissauger von Ludwigsfelde

Die Eistruhe öffnet sich wie der kalte Sarg von Graf Dracula. Dann schwebt der Rüssel heran, senkt sich hinunter, saugt ein Eis an und zieht es auf fast magische Weise hoch. Jetzt hängt es am seidenen Faden…äh…am seidenen Rüssel. Schafft der es, das Eis zum Ausgabeschacht zu befördern ohne dass es herunterfällt? Ja, er schafft es. Wenige Sekunden später hält man tatsächlich das gewünschte Stieleis in der Hand. Ich bin immer noch ganz begeistert von der Technik dieses Saugrüssel-Automaten, den ich in der Kristalltherme in Ludwigsfelde entdeckt habe.

Vielleicht liegt es an meinen bisherigen Erfahrungen mit diesen Geräten: Schon seit meiner Kindheit üben Automaten einen ganz besonderen Reiz auf mich aus. Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Besuche beim Kaugummi-Automaten im Westend, den ich mit meinem kostbar gesparten Taschengeld fütterte. Immer in der Hoffnung, dass nicht einer der knallbunten Kaugummis, sondern endlich das heißersehnte Glibber-Skelett herauskommen möge. Auch bei Ausflügen mit der S-Bahn gingen mein Vater und ich oft vorher zum Süßigkeiten-Automaten, um noch einen Schokoriegel für die Fahrt herauszulassen oder eine kleine Tüte mit M&M´s.

Kurze Zeit später wollte ich dann sogar selbst Automaten-Aufsteller werden (und zwar am liebsten für Kaugummi- und Süßigkeiten-Automaten). Ich stellte mir das wunderbar vor, schließlich waren die Automaten immer mit den leckersten Sachen gefüllt. Und außerdem wusste ich ja, wie viel Geld man als Kind da so reinsteckt. Es schien nach meinem Dafürhalten als Fünfjähriger eine unerhört lukrative Branche zu sein. Und ich mittendrin!

Ich bin dann doch kein Automaten-Aufsteller geworden. Eigentlich schade, denn sonst hätte ich mir sicher auch so einen Saugrüssel-Automaten zugelegt und natürlich im Vorraum eines Schwimmbades platziert. Ich denke einen besseren Platz gibt es gar nicht für so ein wunderbares Gerät. Viele Leute werfen bestimmt auch nur Geld ein, um mal zu sehen, ob der merkwürdig aussehende Saugrüssel es tatsächlich schafft, ein Eis ans Tageslicht zu befördern.

Auch im Internet scheint die Fangemeinde dieses Automaten-Typs groß zu sein: Es gibt jedenfalls eine ganze Menge Videos bei YouTube, die den Eissauger in Aktion zeigen. Vermutlich ist er damit sogar der meistgefilmte Eisautomat weltweit. Na das ist doch mal was!

Blog mit Käse überbacken

Liegt es an meinen Schweizer Genen, dass ich beim Thema „Überbackener Käse“ innerlich gespalten bin? Klar, so ein Käse-Fondue ist schon lecker und auch ein Raclette ist eine schöne Sache. Aber muss man deshalb jedes Stückchen Käse, das man in die Finger bekommt reiben, rösten und zu einer klebrigen Masse einschmelzen?

Die junge Amerikanerin MacKenzie Smith scheint genau das zu tun – und sie bloggt darüber: Grilled Cheese Social heißt die Seite, auf der sie Rezepte für überbackene Sandwiches gibt. Ja genau, diese Dinger für die man normalerweise ein Stück 0815-Scheibletten-Käse zwischen zwei Toastbrot-Scheiben klemmt und sie dann im Sandwichtoaster zu einem dreieckigen Gebildete zusammenröstet.

Zugegeben, die Fotos ihrer Kreationen (Cranberry-Senf-Truthahnbrust, Grüne-Bohnen-Camembert) sind durchaus appetitanregend. Aber spätestens bei der Käseauswahl merkt man schnell, dass die USA einfach kein Käseland sind: Hinter Gouda, Cheddar und Brie kommt erst mal nicht viel. Und ein Greyerzer gilt schon als seltene Spezialität. Ein Schweizer kann darüber natürlich nur lachen. Andererseits, wage ich als Schmelzkäse-Laie zu behaupten, schmeckt man ohnehin kaum noch Geschmacksnuancen heraus, wenn der Käse erst mal in klebrigen Fäden am Toastbrot hängt und eine unheilvolle Allianz mit Chili-Ketchup und geröstetem Speck eingegangen ist…

Witzig geschrieben sind die Begleittexte zu den Rezepten. MacKenzie Smith erzählt dort kleine Anekdoten, etwa aus ihrem Uni-Leben: In den ersten Wochen im Wohnheim habe sie sich vor allem von Cornflakes, Erdnuss-Butter und Jelly-Sandwiches ernährt. Da habe ihr aber schnell die Abwechslung gefehlt: „But my palette and reputation were suffering; one can only go through the TacoBell drive-thru so much before they start to know you by name.”

Ja, schon wirklich tragisch! Aber erfindungsreich wie sie war, hat sie sich gleich eine kulinarische Alternative überlegt, die völlig ohne lästiges Gemüse auskommt und für deren Herstellung man nur ein Bügeleisen und etwas Alufolie benötigt: Grilled Cheese Iron Style – das vermutlich erste Bügeleisen-Sandwich. Allein schon wegen dieser heißen Kreation sollte man sich ihr Grilled Cheese Social-Blog einmal näher anschauen.

Der Thaipark in Wilmersdorf

Bin ich hier in Thailand? Was aussieht wie eine Wiese in Bangkok ist in Wirklichkeit der Preußenpark in Berlin-Wilmersdorf, besser auch bekannt als Thaipark. Jedes Wochenende treffen sich hier dutzende thailändische Familien und kochen auf der Wiese. Wann es genau angefangen hat, kann heute niemand mehr sagen. Aber schon 2002 berichtete die Berliner Zeitung, dass der Park seit mindestens zehn Jahren ein beliebter Treffpunkt von Asiaten sei. Was als Picknick begann, ist mittlerweile ein richtiges Geschäft geworden: An einem Stand brutzeln Kochbananen in der Pfanne, am nächsten gibt es Saté-Spieße mit Hühnerfleisch und dazu frisch gedämpften Reis. Für ein paar Euro kann man im „Open-Air-Restaurant“ auf der Wiese asiatisch essen (siehe Bericht zum Essen im nimmersatt-in-berlin-Blog).

Was auffällt: Viele junge Thai-Frauen haben ihre deutschen Männer dabei. Die sind oft schon im Rentenalter und sehen so aus, als ob sie gerade frisch aus der Kneipe kämen. Während die Thai-Frauen kochen und das Essen verkaufen, tun die Männer, dass was sie am besten können: Sie sitzen im Liegestuhl und ruhen sich aus. Einige lungern auch beim Glücksspiel hinter den Essensständen und zocken um Euros.

Eine Thailänderin bietet Massagen an. Auffallend sauber ist es auf der Wiese: Ein „Hausmeister“ läuft herum, stellt Plastiksäcke für den Müll bereit. Das Bezirksamt versucht dem Treiben mit Verboten und gelegentlichen Razzien beizukommen – seit fast zwanzig Jahren ziemlich erfolglos.

Und so wird weiterhin jedes Wochenende im Thaipark gekocht, massiert und gezockt.