Kunst aus dem Automaten

An diesem knallbunten Automaten an der Ecke Fuldastraße/Weserstraße in Neukölln gibt es keine Zigaretten, Kaugummis oder Kondome. Stattdessen kann man sich für zwei Euro Kunst von „regionalen, nationalen und internationalen Künstlern“ herauslassen.

Ich war vor Ort und habe den Kunstautomaten ausprobiert. Dass sich keine Skulpturen oder großformatige Gemälde in dem bunten Apparat verbergen, war natürlich klar. Aber wieviel Kunst gibt es tatsächlich für zwei Euro? Ihr erfahrt es im Videobericht:

Hier das Pinguin-Bild von Evelyn Surek noch einmal in groß:

Der dazugehörige Beipackzettel enthält eine Biografie der 1968 in Göttingen geborenen Künstlerin sowie eine Beschreibung ihrer Werke. Demnach habe sie bei ihren Reisen festgestellt, dass sie von Naturdenkmälern wie Stonehenge und Ayers Rock besonders angezogen wurde. Im O-Ton: „Die Geomanten, die die Zusammenhänge von Erdenergien, Erdmagnetismus, Kreuzenden Wasseradern und solchen Plätzen beschrieben, bezeichnen diese Plätze mitunter als Erdkraftorte.“

Ah ja, genau…Was der Pinguin aus dem Automaten mit den Kraftfeldern zu tun hat, ist mir zwar nicht ganz klar, aber originell und hübsch ist er auf alle Fälle. Jetzt muss ich nur noch einen Rahmen für den 7,3 x 5,5 cm großen Druck finden…

Mehr Infos zu den Kunstautomaten (aber leider keine Übersicht mit Standorten) gibt es hier.

Street-Art: Kaugummi-Automaten und Briefkästen ohne Ende

Dass Kaugummi-Automaten seit meiner Kindheit einen besonderen Reiz auf mich ausüben, hatte ich an anderer Stelle ja schon erwähnt. Deshalb habe ich mich auch besonders über diese Street-Art-Collage in meiner Nachbarschaft (Paul-Lincke-Ufer beim Bouleplatz) gefreut. Hunderte Kaugummi-Automaten hat dort jemand auf Poster gedruckt und nebeneinander geklebt. Von weitem sieht man erst gar nicht was es ist. Die grobe Struktur macht neugierig. Erst wenn man näher kommt, sieht man die Automaten.

Mit der Kaugummi-Automaten-Collage macht der unbekannte Street-Art-Künstler zudem Dinge sichtbar, die wir im Alltag häufig übersehen. Allein auf meinem Weg zum Supermarkt laufe ich schon an zwei bis drei Kaugummi-Automaten vorbei. Man nimmt sie nur aus dem Augenwinkel wahr, viele sind mit Graffiti beschmiert oder haben anderweitig gelitten. Sie stehen in der fahlen Wintersonne und warten auf kleine Kundschaft. Doch wie selten sieht man jemanden ein zehn Cent Stück einwerfen und an dem knirschenden Rad drehen! Ich glaube mittlerweile stehen oder hängen die meisten Kaugummi-Automaten ja nur noch aus Gewohnheit. Weil es in Berlin eben immer schon so war. Und wer weiß, vielleicht steckt hinter der Street-Art-Collage ja auch einfach ein Automatenaufsteller, der mal wieder etwas Werbung für seine kleinen Apparate machen will…

Hier noch eine schöne Variante mit Briefkästen (Kottbusser Damm/Gräfestraße):

Street-Art in Kreuzberg (Folge 1)

Wer in Kreuzberg wohnt, dem fällt schon nach kurzer Zeit die hohe Dichte an kreativer Street-Art auf. An den Hauswänden tummelt sich eine ganze Schar bunter Sprüh- und Klebemotive. Wer genau hinschaut, kann schon bei einem kurzen Spaziergang um den Block die Bekanntschaft mit Buddha, Charlie Chaplin und Mona Lisa machen. Inspiriert vom Blog meiner Schwester war ich mit der Kamera unterwegs und bin rund um den Görlitzer Bahnhof fündig geworden. Aber seht selbst:

Der große Komiker Chaplin mal ganz klein: Als Schablonenspray an einer Hausecke nahe dem Görlitzer Bahnhof. Schön auch die dazugehörige rote Blume, deren Stiel kunstvoll in den Boden übergeht und so eine Rahmung für das Gesamtwerk schafft. Witziges Detail ist die Zigarettenkippe: Guckt Chaplin-Junior etwa so verschmitzt, weil er sie gerade unaufällig entsorgt hat?

Einen Glimmstengelwurf entfernt ruft Mona Lisa höchstpersönlich die Passanten zu etwas Ruhe auf. Sicher eine Reaktion auf den nächtlichen Trubel in der nahegelegenen Partymeile Oranienstraße.

Hier wird scharf geschossen: Die beiden Pistoleros bewachen einen Hauseingang am Görli und verteidigen ihn gegen anstürmende Köter, die hier nur zu gerne ihr Bein heben und zielgerichtet das Bewag-Emblem anpissen. Vorteil der Street-Art: Sie ist abwischbar und wasserbeständig.

Wer ist Zaira? Eine kurze Google-Suche bringt folgende Ergebnisse: Ein Modell mit verträumt-grünbraunen Augen, eine Russische Dichterin und ein Kaffeeservice von Villeroy & Boch. Der Unterteller sieht dem Hut der Dame auf dem Bild sogar ein wenig ähnlich. Wie dem auch sei: In Schwarz-Weiß hebt sich die unbekannte Schöne jedenfalls schön von der bunt besprühten Hauswand ab. Ein kleines Meisterwerk, dass leider schon erste Spuren des Verfalls zeigt…

Um Buddha einen Besuch abzustatten und sich etwas Street-Art-Liebe abzuholen, muss man sich vom Görli südlich halten. Über den Fluss rüber und dann ist man fast da. Hier am Rand von Neukölln wartet er in der Pflügerstraße auf Pilger.

An sich halte ich Fotos mit GPS-Informationen (so genannte Geotags) ja für ziemlichen Schnickschnack. Aber hier wären sie doch mal praktisch: Anhand der verknüpften Koordinaten könnte schließlich jeder genau sehen, wo gerade welche Street-Art an der Hauswand „ausgestellt“ ist. Und würde den Buddha oben womöglich schneller finden, als mit meiner Beschreibung.

Die Flickr-Gruppe „RYC Berlin Urban-Art Map“ hat sich an solch einer virtuellen Street-Art-Karte für Berlin versucht. Per Mausklick sieht man, wo welches Straßenkunstwerk aufgenommen wurde. Es sind allerdings erst rund 100 von über 300 aufgenommenen Motiven mit Geotags versehen und so auf der Karte lokalisierbar. Ein weiteres Problem stellt die kurze Halbwertszeit der Werke dar: Viele Bilder sind schon nach kurzer Zeit wieder verschwunden oder werden durch Neue ersetzt.

Und so kann es sein, dass ihr bei eurem nächsten Spaziergang durch Berlin nicht Buddha, Charlie Chaplin oder Mona Lisa sondern ganz andere Prominente trefft. Street-Art in Berlin bleibt dynamisch und wild. Und hebt sich in ihrer kreativen Qualität wohltuend von den eher kargen Versuchen in anderen, kleineren Städten ab.

Dänische Delikatesse: Rangleklods

Man bekommt nicht allzu häufig die Gelegenheit, einen frischgebackenen DJ vorzustellen, der in Kürze vermutlich richtig erfolgreich sein wird. Rangleklods kommt aus Dänemark, pendelt zwischen seiner Heimatstadt Århus und Berlin und produziert wirklich eingängige, tanzbare elektronische Musik. Dazu singt er selbst. Das Ganze klingt ein bisschen so wie Royksopp mit hartem Beat.

Noch ist Rangleklods ziemlich unbekannt: Gerade mal 658 Leute haben seine Videos bei YouTube angeschaut, dazu ein paar Tausend abgespielte Songs via MySpace und Soundcloud. Nur einige Blogger gehen schon richtig auf den dänischen DJ ab. Zitat iHeartBerlin.de: „Gerade frisch angekommen auf der Spielwiese Berlin bürstet mich der Junge hier mal glatt vom Bürostuhl runter und bis jetzt hab ich mich auch noch nicht wieder einbekommen.“ Soweit ist es bei mir noch nicht, aber die ersten Songs von Rangleklods sind wirklich sehr gut.  Einen ersten Vorgeschmack gibt es schon jetzt bei Soundcloud. Anspieltipp meinerseits „Young and Dumb“:

Latest tracks by Rangleklods

Wenn Rangleklods gerade nicht pendelt oder in kleinen Berliner Clubs auflegt, dann feilt er übrigens an seinem ersten Album. Vielleicht gibt es das dann ja bald auch legal bei MediaFire zum Download wie seine ersten drei Songs.

Mit Prognosen in der Musikwelt tue ich mich ja meistens etwas schwer, aber ich glaube Rangleklods wird seinen Weg machen. Wir hören uns spätestens in einem Jahr wieder.

Kunst und Crime: Marcel van Eeden

Sein Zeichenstil ist hart und kontrastreich, seine Geschichten spielen mit bekannten Versatzstücken des Film Noir. Der Niederländer Marcel van Eeden kombiniert in seinen Werken Kunst und Crime. Mehr als 500 Zeichnungen sind jetzt im Haus am Waldsee zu sehen. Das Berlin-Blog hat einen Blick riskiert.

Elf Serien bilden das Herzstück der Ausstellung „Schritte ins Reich der Kunst“. Wie Filmschnipsel hängen die kleinformatigen Zeichnungen an der Wand. Von links nach rechts, zuweilen auch kreuz und quer, verlaufen die Erzählstränge durch den Raum.

So lernen wir in einer Serie etwa den mysteriösen K.M. Wiegand kennen. Gezeichnete Buchcover, Zeitungsausschnitte und Dokumente lassen ihn wahlweise als Geologen oder Gangsterboss, als Admiral oder Mörder erscheinen. Marcel van Eeden spielt mit dem Betrachter. Er macht es ihm unmöglich, sich ein abschließendes Urteil über die Person Wiegand zu bilden.

Rätselhaft bleiben auch die Ereignisse in der wahrscheinlich stärksten Serie der Ausstellung: „Zurich Trial, Part 1: Witness for the Prosecution“. Eine junge Frau namens Celia erzählt in einer Rückblende die Geschichte des (mutmaßlichen) Mordes am Kunstsammler Matheus Boryna. Der Künstler Oswald Sollmann soll ihn erschossen haben, womöglich um an eine Kiste mit verschollenen Grünewaldzeichnungen zu gelangen. Doch die genauen Umstände bleiben unklar. Sollmann kann nicht überführt werden. Ist er wirklich der Täter? Oder hat sich Boryna doch selbst das Leben genommen? Marcel van Eeden zelebriert diese Rätselhaftigkeit. Je mehr Nebenstränge man sich anschaut, desto widersprüchlicher wird das Bild. Nichts ist sicher, alles bleibt vage.

Bei aller Unklarheit im Erzählgegenstand verfolgt Marcel van Eeden in seinem Schaffen ein klares Konzept: So benutzt er als Vorlage für seine Kohlezeichnungen ausschließlich Ausschnitte aus Zeitungen oder Magazinen, die älter sind als er selbst. Er sampelt die Bildinhalte und fügt sie zu neuen Werken zusammen. Eine Zeit lang soll er jede Nacht ein Bild gemalt haben. Viele dieser Skizzen sind online auf seiner Webseite zu sehen, die Stimmungsvollsten stellt er hin und wieder zu Serien zusammen.

Häufig ergänzt Marcel van Eeden seine Zeichnungen um Unter- oder Zwischentitel. Text und Bild bilden dabei jedoch keine Einheit, sie erscheinen bisweilen sogar konträr. Zum Bild einer durchgeladenen Maschinenpistole textet van Eeden etwa „In his free hand he would carry a large bag of chocolates“. Nicht zuletzt diese Komik macht das Werk des Niederländers so reizvoll.

Marcel van Eeden – Schritte ins Reich der Kunst ist noch bis 30. Januar im Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, in Berlin-Zehlendorf zu sehen. Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro.

Das Skelett vom Paul-Lincke-Ufer


Street Art oder böser Scherz? Das Skelett vom Paul-Lincke-Ufer dreht sich im Wind.

Das Paul-Lincke-Ufer in Kreuzberg zählt ja nicht unbedingt zu den am besten beleuchteten Ufern in Berlin. Man tappt dort also mehr oder weniger im Dunkeln. Umso größer der Schreck, wenn man plötzlich über ein grinsendes Skelett stolpert, dass vor einem am Alleebaum baumelt. Ja, ist denn heut schon Halloween?

Ein Papp-Skelett, dazu noch so aufwendig gestaltet, ist selbst für Kreuzberg ungewöhnlich. An Street Art ist man ja doch schon einiges gewohnt: Da gibt es den Soldaten mit Gasmaske als Schablonen-Grafitti ebenso wie die Frau mit Blume im Haar als Riesen-Sticker. Das Skelett ziert aber nicht nur eine flache Wand, es flattert frei im Wind. Man kann es nicht so einfach ignorieren.

Die Bedeutung des Werkes bleibt hingegen im Dunkeln: Hat sich an diesem Baum wirklich mal jemand erhängt? Will der Künstler mahnend daran erinnern? Oder ist das Skelett als Warnung an jemanden gerichtet? Das Papp-Skelett sagt nichts dazu, es baumelt nur weiter im Wind und grinst.

Einige Nachbarn haben den Kampf gegen den Boten aus der Unterwelt anscheinend aufgenommen. Über Nacht ist das Skelett jedenfalls spurlos verschwunden…