Pfandregal am Kottbusser Damm

Bei einem Spaziergang am Landwehrkanal habe ich heute direkt gegenüber der Ankerklause dieses originelle Pfandregal entdeckt. Es ist aus Metall geschweißt, orange lackiert und bietet Platz sowohl für Bier- als auch für größere Wasserflaschen. Ob es sich dabei wohl um eine offizielle Entsorgungsmöglichkeit der BSR handelt? Wer jedenfalls nach dem Vor- oder Nachglühen einer Partynacht eine Pfandflasche übrig hat, kann sie bequem dort parken.

Für die einen ist es ein Pfandregal – für die anderen ein Geldautomat: Keine zwei Minuten nach dem ich das Foto gemacht hatte, kam ein Mann mit Rucksack vorbei und sammelte die beiden Flaschen ein. 33 Cent verdient, so leicht kann es gehen…

Café Two and Two in der Pannierstraße

Das obere Ende der Pannierstraße in Neukölln entwickelt sich langsam aber sicher zu einer Ecke für richtig gute Cafés. Vis à vis der fast schon legendären Croissanterie (einem der wenigen Orte in Berlin, an dem man täglich leckerste Croissants wie in Frankreich bekommt) hat jetzt das Café Two and Two  eröffnet.

Das kleine Café hat sich auf die ungewöhnliche Kombination „Französische Leckereien & japanische Schreibwaren“ spezialisiert und wird von zwei sympathischen jungen Frauen betrieben. In ihrem Blog zeigen sie mit vielen Fotos, wie sie im letzten halben Jahr den abgerockten ehemaligen Friseursalon „Salon Albarjawi“ in ein charmantes kleines Café verwandelt haben. So kann man ihnen beim Werken an Türfüllungen, beim Kauf eines professionellen Geschirrspülers oder dem Ausprobieren von neuen Kuchenrezepten über die Schulter schauen.

Das Interieur des Café Two and Two ist hell und japanisch-minimalistisch gehalten. Man sitzt auf niedrigen Sesseln, einige sind Vintage, andere neu. In der Ecke steht ein altes dunkelrotes Telefon als Deko, an der Wand hängen frisch gemalte Ölbilder. Alles wirkt noch ein bisschen improvisiert, aber durchaus charmant.

Neben den üblichen Kaffeevariationen (für besonders hippe Leute gibt es ihn auch in Form von frisch aufgebrühtem Filterkaffee deluxe) stehen auch frischer Ingwer- oder Minztee auf den hübsch gestalteten Speisekarten. Verführerisch lachen einen herzhafte Quiches und hausgemachte Kuchen aus der Theke am Eingang an.

Wir entscheiden uns für Apfelkuchen und Schokokuchen (Gâteau au chocolat) und ergänzen die Bestellung um einen Cappuccino und einen frischen Minztee. Der Kaffee ist kräftig-würzig, genau das Richtige an so einem verregneten Winternachmittag. Auch die Kuchen überzeugen: Der Schokokuchen hat eine knusprige Kruste, ist dabei innen noch feucht und erinnert stark an einen Brownie. Schokoladiglecker! Auch der Apfelkuchen ist wirklich sehr gut: Brüchiger Mürbeteig mit Äpfeln belegt und fein mit Zimt abgeschmeckt. Ich habe in meinem Leben schon viele Apfelkuchen probiert, aber dieser hier gehörte ohne Zweifel zu den Besten.

Womit wir bei den japanischen Schreibwaren wären: Die belegen einen Platz in einer Vitrine im Vorraum und scheinen eher ein Nebengeschäft zu sein. Es gibt Federmäppchen, Notizhefte und Stifte – alles in allem aber eine eher kleine Auswahl.

Café Two and Two Berlin – Französische Leckereien und Japanische Schreibwaren, Pannierstr. 6 in Berlin-Neukölln hat Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Im Web: http://www.twoandtwoberlin.com/

Kunst aus dem Automaten

An diesem knallbunten Automaten an der Ecke Fuldastraße/Weserstraße in Neukölln gibt es keine Zigaretten, Kaugummis oder Kondome. Stattdessen kann man sich für zwei Euro Kunst von „regionalen, nationalen und internationalen Künstlern“ herauslassen.

Ich war vor Ort und habe den Kunstautomaten ausprobiert. Dass sich keine Skulpturen oder großformatige Gemälde in dem bunten Apparat verbergen, war natürlich klar. Aber wieviel Kunst gibt es tatsächlich für zwei Euro? Ihr erfahrt es im Videobericht:

Hier das Pinguin-Bild von Evelyn Surek noch einmal in groß:

Der dazugehörige Beipackzettel enthält eine Biografie der 1968 in Göttingen geborenen Künstlerin sowie eine Beschreibung ihrer Werke. Demnach habe sie bei ihren Reisen festgestellt, dass sie von Naturdenkmälern wie Stonehenge und Ayers Rock besonders angezogen wurde. Im O-Ton: „Die Geomanten, die die Zusammenhänge von Erdenergien, Erdmagnetismus, Kreuzenden Wasseradern und solchen Plätzen beschrieben, bezeichnen diese Plätze mitunter als Erdkraftorte.“

Ah ja, genau…Was der Pinguin aus dem Automaten mit den Kraftfeldern zu tun hat, ist mir zwar nicht ganz klar, aber originell und hübsch ist er auf alle Fälle. Jetzt muss ich nur noch einen Rahmen für den 7,3 x 5,5 cm großen Druck finden…

Mehr Infos zu den Kunstautomaten (aber leider keine Übersicht mit Standorten) gibt es hier.

Sushi-Ecken im Untergrund

Mittags auf dem Kottbusser Damm: Türkische Mütter gehen einkaufen. Bärtige Männer sitzen im Café oder promenieren über die nicht vorhandene Promenade. In den Buden drehen sich Dönerspieße brutzelnd im Kreis.

Wer die schmuddeligen Treppen zum U-Bahnhof Schönleinstraße hinuntereilt, der erwartet sicher vieles, aber kein hochwertiges Fast-Food. Und doch gibt es seit kurzem mitten auf dem Bahnsteig der Linie U8 einen neuen Imbiss, der Onigiri verkauft.

Oni…wie? Onigiri sind Reis-Taschen, die ursprünglich aus Japan und Korea kommen. Ein Meeresalgenblatt bildet die Hülle für die herzhafte Füllung aus gekochtem Fisch, Fleisch oder Gemüse und jeder Menge Klebereis. Die aktuellen Kreationen heißen zum Beispiel „Lachs & scharfe Pflaume“, „Hühnchen & Süßkartoffel“ oder „Umeboshi & Stangensellerie“.

Ich entscheide mich für die Variante mit Lachs und scharfer Pflaumensoße. Geschmacklich kann diese durchaus überzeugen: Das Lachsfilet in der Mitte der Tasche ist mit bloßem Auge zu erkennen und hat ein zartes Aroma, welches gut mit der süßlichen Schärfe der Soße harmoniert. Ähnlich wie bei Sushi ist der Eigengeschmack der Tasche im Ganzen aber eher zurückhaltend. Hier würde vielleicht Sojasauce weiterhelfen (die unterwegs aber denkbar unpraktisch ist).

Noch eine weitere Eigenschaft teilt Onigiri mit Sushi: Es macht nicht richtig satt. Um eine Hauptmahlzeit zu bestreiten, muss man schon zwei oder drei der handlichen Taschen essen. Etwas seltsam wirkt da der Werbespot, der auf einem Bildschirm an der Bude gezeigt wird: Onigiri wird da als Alternative zu Currywurst und Döner präsentiert. Tatsächlich ist es eher ein kleiner Snack.

Zwischen 2,50 Euro und 3 Euro kostet ein Onigiri. Das ist ganz schön viel und lässt sich eigentlich auch nicht mit der versprochenen Bio-Qualität rechtfertigen. Für einen Snack zu teuer – für eine Hauptmahlzeit zu klein? Jedenfalls kann man für den Preis von drei Reistaschen im nahe gelegenen Reuterkiez schon ziemlich gut essen gehen.

Was uns zu der Lage bringt: Die wirkt skurril angesichts der Nachrichten der letzten Monate. Die Schönleinstraße sei ein „Drogenbahnhof“ hieß es da und zähle neben dem Kottbusser Tor zu den zwielichtigsten Stationen überhaupt in Berlin. Warum eröffnet ausgerechnet hier einen Edel-Imbiss?

Die Antwort weiß Thorsten Reuter, der Geschäftsführer von Rice Up. Eben noch hat er einer holländischen Besuchergruppe die Vorzüge des Onigiri-Konzeptes erklärt, jetzt wendet er sich mir zu: „Den Standort haben wir bewusst gewählt, wir wollten ein Paradoxon in dieser Umgebung schaffen“, sagt er. Wer ein paar Stunden im Bahnhof arbeite, sehe das Leben in seiner ganzen Bandbreite vorüberziehen. Vom Studenten bis zum Junkie komme hier jeder lang. „Mit dem Imbiss wollen wir zeigen, dass ein Miteinander von beiden Welten möglich ist“, sagt Reuter und klingt dabei ein bisschen so, als hätte er gerade ein soziales Hilfsprojekt eingeweiht.

Tatsächlich richtet sich Rice Up Onigiri aber an eine ganz bestimmte Klientel: Es sind Leute, die sich bewusst ernähren und dafür gerne auch etwas mehr ausgeben. Die experimentierfreudig sind und das anderen auch gerne zeigen. Es sind Hippster, die Onigiri kaufen und nicht Kleinverdiener oder Junkies.

Thorsten Reuter erzählt von seinen Ausbauplänen: Ein mobiler Imbisswagen werde gerade umgebaut, bis zum Ende des Jahres soll es noch einen zweiten Standort in Berlin geben. Es sind ambitionierte Ziele.

Wieder oben am Tageslicht, kommen sie einem gleich nochmal so ambitioniert vor: Die Dönerläden hier tragen einen harten Preiskampf aus. 1,49 Euro schreit es in roten und gelben Lettern von den Schildern. Auch Gemüse-Kebap steht hoch im Kurs. Überhaupt herrscht an günstigen Imbissen kein Mangel: Currywurst, Vietnamesisch, Grillhähnchen, Hamburger – die Liste ist lang. Ob da noch Platz für Onigiri ist?

Thorsten Reuter kämpft derweil noch an einer ganz anderen Front. Er will Werbeplakate an der Treppe zur U-Bahn aufhängen. Doch die Werbefirma der BVG lehnte ab: Die Plakate würden das Erscheinungsbild des Bahnhofs Schönleinstraße stören. Da ist es wieder, das Paradoxon von der Schönleinstraße.

Street-Art: Kaugummi-Automaten und Briefkästen ohne Ende

Dass Kaugummi-Automaten seit meiner Kindheit einen besonderen Reiz auf mich ausüben, hatte ich an anderer Stelle ja schon erwähnt. Deshalb habe ich mich auch besonders über diese Street-Art-Collage in meiner Nachbarschaft (Paul-Lincke-Ufer beim Bouleplatz) gefreut. Hunderte Kaugummi-Automaten hat dort jemand auf Poster gedruckt und nebeneinander geklebt. Von weitem sieht man erst gar nicht was es ist. Die grobe Struktur macht neugierig. Erst wenn man näher kommt, sieht man die Automaten.

Mit der Kaugummi-Automaten-Collage macht der unbekannte Street-Art-Künstler zudem Dinge sichtbar, die wir im Alltag häufig übersehen. Allein auf meinem Weg zum Supermarkt laufe ich schon an zwei bis drei Kaugummi-Automaten vorbei. Man nimmt sie nur aus dem Augenwinkel wahr, viele sind mit Graffiti beschmiert oder haben anderweitig gelitten. Sie stehen in der fahlen Wintersonne und warten auf kleine Kundschaft. Doch wie selten sieht man jemanden ein zehn Cent Stück einwerfen und an dem knirschenden Rad drehen! Ich glaube mittlerweile stehen oder hängen die meisten Kaugummi-Automaten ja nur noch aus Gewohnheit. Weil es in Berlin eben immer schon so war. Und wer weiß, vielleicht steckt hinter der Street-Art-Collage ja auch einfach ein Automatenaufsteller, der mal wieder etwas Werbung für seine kleinen Apparate machen will…

Hier noch eine schöne Variante mit Briefkästen (Kottbusser Damm/Gräfestraße):

Discounter-Krieg in Kreuzkölln

Aldi war das erste Opfer: Der Markt am Maybachufer war eines Morgens plötzlich weg. Kein Licht, keine Waren, vor der Tür drehte schon der Abrissbagger seine Kreise. An der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln tobt schon seit längerem der Discounter-Krieg. Es geht um viel: So zählt etwa der angrenzende Reuterkiez auf der Neuköllner Seite zu den am dichtesten besiedelten Gebieten von Berlin (und das obwohl es dort fast keine Hochhäuser gibt).

Der Schließung des ALDI war eine Provokation von LIDL nebenan vorangegangen. Der Markt hat dank seines großen Parkplatzes ohnehin schon einen Vorteil im Kampf um die Kunden. LIDL hatte seinen Verkaufsraum renoviert, die Regale umsortiert und sich mit einer Backstation bewaffnet. Man glaubt ja gar nicht, was diese Aufbackapparate für eine Anziehungskraft haben. Davon hängt häufig schon die Entscheidung für oder gegen einen Einkauf dort ab: „Gehen wir zu Aldi oder zu LIDL?“ – „Ach lass doch zu LIDL gehen, bei Aldi gibt es nur dieses labbrige Tütenbrot.“ Entscheidung getroffen. Und die Erfahrung zeigt: Meistens kauft man aus Bequemlichkeit doch nur in einem Supermarkt ein.

Der Discounterkrieg geht weiter! Letzte Woche wollte ich nach dem Schwimmen gehen noch rasch bei Penny vorbei. Auch hier: Der komplette Laden war leergeräumt. Keine Waren, keine Regale, keine Kassen. Stattdessen Handwerker, die den Laden aufrüsten, ihn für den Konkurrenzkampf stählen. So stehen Bier, Wein und Chips jetzt direkt vorne an den Kassen. Wer also nur für den Partyabend einkauft, braucht nicht durch den ganzen Laden zu laufen. Dafür ist der unsägliche Non-Food-Plunder (Billig-Kleidung, schrottige Haushaltsgeräte etc.) nach hinten gewandert. Und auch hier liefert eine Backstation brummend neue Brote im Stundentakt.

So ein Komplettumbau will ja gut überlegt sein. Statistisch gesehen hat ein Supermarkt zwischen 20-30.000 Produkten. Diese Warenmassen müssen schnell und sicher in ein Lager und hinterher wieder zurückgebracht werden. Das steckt schon eine unglaubliche Logistik dahinter. Nicht zu vergessen: Während der ganzen Zeit des Umbaus verdient die Filiale keinen einzigen Cent.

In unserem Kiez scheint es sich jedenfalls zu lohnen. Denn wie ich per sicherer Mundpropaganda erfahren habe: Der Aldi ist gar nicht weg, er lädt nur nach. Der Markt am Maybachufer wird in wenigen Monaten komplett neu aufgebaut. Größer, sauberer und vielleicht sogar mit Backstation. Der Discounter-Krieg in Kreuzkölln geht also weiter…