Douglas gibt mir die Kugel

„Und noch eine kleine Aufmerksamkeit für Sie. Frohe Weihnachten!“, ruft mir der Verkäufer zu. Und eh ich es mir versehe, halte ich die Papiertüte von Douglas in der Hand. Kauftransaktion abgeschlossen. In der Tüte: Das Weihnachtsgeschenk für meine Mutter und die „kleine Aufmerksamkeit“. Sie besteht aus einem viereckigen Karton mit dem Aufdruck „Collectors Edition 2010“ (die kleine Aufmerksamkeit, nicht meine Mutter). Durch den transparenten Kunststoff sieht man eine silberne Weihnachtskugel schimmern. Auf die Oberfläche der Kugel hat jemand eine Frau gemalt, deren Unterkörper aus Tannenzweigen besteht. Hinter der Waldfrau befinden sich noch ein goldener Stern und ein verwaschenes blaues Etwas, das so aussieht als hätte jemand seinen Pinsel nicht richtig ausgewaschen. Über dieses Meisterwerk moderner Christbaumkugelmalerei hat der Künstler mit krakeliger Schrift seine Signatur gesetzt.

Was soll ich damit machen? Collectors Edition hin oder her, an den Baum hänge ich mir diese Kugel ganz sicher nicht. Erstens ist sie verdammt hässlich. Zweitens, selbst wenn sie nicht hässlich wäre, würden mir noch die anderen Stücke der diesjährigen Kollektion fehlen. Nur eine Kugel von Douglas und zwanzig andere in Rot und Blau, das sieht nun wirklich nicht aus.

Mein erster Gedanke war: Am besten schnell weiterverschenken. Spontan fiel mir niemand ein, der sich über eine einzelne Silberkugel mit liebloser Bemalung freuen würde. Meine Mutter jedenfalls schon mal nicht. Mein Bruder? Der hat nicht mal einen Baum. Der Motzverkäufer in der U-Bahn? Ich bezweifelte, dass er sich über die Douglas-Kugel freuen würde.

Natürlich könnte ich die Kugel einfach zum Verkäufer zurückbringen. Sie auf den Tisch legen und sagen: So nicht. Aber damit habe ich schlechte Erfahrungen gemacht. Einer guten Freundin von mir wollten sie im Penny mal alte Weihnachtsschokolade andrehen. Als sie ablehnte, wurde sie von den Kassiererinnen als dekadent und überheblich beschimpft. Das wollte ich lieber nicht riskieren.

„Stell sie doch auf Ebay rein“, sagte mein Bruder. Auf der Auktionsplattform würde schließlich so ziemlich jeder Mist verkauft. Ich recherchierte. Auch ein anderer Douglas-Kunde war schon auf die Idee mit dem Versteigern gekommen. In gekonntem Marktschreier-Jargon und mit originellen Schreibfehlern hob er die Vorzüge der Kugel hervor:

„Hier biete ich eine unglaubliche Gelegenheit : Die Douglas Collektours 2010 Kugel , ein muß für jeden Sammler geschmackvoller Präziosen und die Möglichkeit Geschmack zu beweisen . Abgesehen vom guten Gefühl ein solch wertigen Gegenstand sein Eigen zu nennen , haben sie die reale Chance einer extremen Wertentwicklung in den nächsten 500 Jahren. Diesen Anforderungen geschuldet werde ich meine ganze Kraft in eine bombensichere Verpackung legen damit die Kugel absolut sicher und unversehrt bei ihnen ankommt.“

Das Startgebot lag bei einem Euro. Obwohl die Auktion schon einige Zeit lief, hatte sich noch niemand gefunden, der das edle Sammlerstück erwerben wollte. Ebay schien nicht der richtige Ort für diese Art von Nippes zu sein.

Natürlich hätte ich die Kugel einfach wegwerfen können. Aber was für eine ungemeine Verschwendung wäre es, wenn geschätzte zwanzig Millionen Kunden von Douglas zur Weihnachtszeit eine solche Kugel geschenkt bekommen und sie dann umgehend entsorgen? Ein Präsent produziert für den Müll. Das klingt nicht nach einem Happy End.

Als ich mir all diese Gedanken gemacht hatte (der Laden hatte inzwischen geschlossen), fiel mein Blick noch einmal auf die Verpackung der Kugel. Ganz unten stand in kleiner goldener Schrift ein Satz auf dem Karton: „Die magische Wunschkugel“

Ich habe mir die Kugel dann schwupp-di-wupp einfach weggewünscht. Es hat funktioniert! Das Ding ist einfach spurlos verschwunden! Kugellos stand ich auf dem Kudamm. An Weihnachten passieren halt manchmal doch noch Wunder.

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