Fünf Gerüchte über Irland

Über Irland und die Iren kursieren ja viele wilde Gerüchte. Ich war dort und habe fünf von ihnen vor Ort überprüft:

1. Die Iren sitzen den ganzen Tag nur im Pub

Das stimmt nicht: Die meisten irischen Pubs machen ja erst mittags auf. Dafür sind aber um 15:30 Uhr auch schon gerammelt voll. Zu Live-Musik und frisch gezapftem Guinness (Pint à  4,10 Euro) lassen es sich Touristen und Iren und irische Touristen in der Dubliner Innenstadt gut gehen. Der frühe Start der Festivitäten liegt an der Sperrstunde. Diese scheint zwar ausgesprochen flexibel zu sein (googelt mal „Sperrstunde in Irland“ – von 23:30 bis 1 Uhr nachts ist da alles dabei), aber die Stimmung kocht trotzdem meistens schon am frühen Abend richtig hoch. Die meisten Pubs sind ausgesprochen hell gestaltet, man könnte fast sagen familienfreundlich. Geraucht wird draußen, sehr angenehm!

2. Irland steckt in einer tiefen Rezession

Es scheint zumindest so. Der Renner in irischen Buchläden ist zurzeit Wirtschaftskrisen-Literatur. Gleich neben dem Regal mit Büchern über Hitler und Nazi-Großväter haben sich diese Werke breit gemacht. Von der Ursachensuche (“How Ireland really went bust”, “Who really runs Ireland?”, „How the Courts have exposed the Rotten Heart of the Irish Economy”) über intime Einblicke (“The rise the fall of one man, one bank and one country”, “Inside the Bank that broke Ireland”) bis zu Krisenbewältigungsbüchern (“Beyond the Crash”, “Enough is Enough. How to Build a New Republic”) ist viel Lesestoff für die kalten Wintertage dabei. Und wenn mal die Heizung ausfällt, kann man die dicken Krisenwälzer sicher prima auch dafür verwenden (alternativ auch Nazi-Revival-Literatur).

3. In Irland gibt es leckeres und günstiges Bier

Jein. Wer Schwarzbier mag, der kommt an Guinness in Irland natürlich nicht vorbei. Das kommt in praktisch jedem Pub frisch aus dem Hahn. Der Schaum des Bieres ist sehr feinporig, er ähnelt fast Milchschaum oder der Crema von einem guten Kaffee. Statt Milchbart also Bierbart! Die Krise mag Irland fest im Griff haben, auf die Bierpreise hat sich das bedauerlicherweise nicht ausgewirkt: Im Supermarkt werden 0,5-Liter-Dosen Guinness für 1,99 Euro schon als heißes Angebot gefeiert. Wer zum Viererpack greift, zahlt 7,99 Euro (was absurderweise sogar 3 Cent mehr sind). Der Unterschied zum gezapften Bier im Pub ist da gar nicht mehr so groß – was vielleicht auch die Popularität dieser Einrichtung erklärt.

4. Die Iren stehen auf Verbote

Ja, definitiv! An der Uferpromenade von Dun Laoghaire etwas außerhalb von Dublin waren nicht weniger als neun Verbote angeschlagen. Von 10 Uhr morgens bis 7 Uhr abends ist es verboten, Tiere gleich welcher Art (ausgenommen Blindenhunde) auf der Strandpromenade spazieren zu führen. Das gilt aber nur von Juni bis September. Ferner ist der Konsum von Alkohol verboten. Wer Müll weg wirft zahlt zwischen 150 und 3000 Euro. Lässt man die Haufen der ohnehin verbotenen Hunde liegen, kostet das ebenfalls 150 Euro. Tauchen ist ebenso verboten wie Angeln. Aufpassen muss man vor den großen Wellen der Autofähre (kein Witz!) und vor verborgenen Felsen im Wasser (die man beim Tauchen vermutlich sehen würde). Hab ich noch was vergessen? Ach ja, es gibt keine Rettungsschwimmer am Strand. Vermutlich hat David Hasselhoff gerade Urlaub. Um es kurz zu machen: Irland wäre vermutlich das ideale Reiseland für den größten Fan von strengen Regeln, den ich kenne, Gunnar Schupelius von der BZ. Das könnte mal eine sehr unterhaltsame Reisekolumne werden.

5. Die Iren sind prüde

Das kann ich nur bestätigen! Abends waren wir mal in der Hotelsauna. Wer nun denkt, hier könnte man ganz ungestört skandinavisch nackt saunieren, liegt falsch. Die Iren gehen nur in Badebekleidung in die Sauna, lassen dafür aber das lästige Handtuch weg und schwitzen lieber so die Bank voll. Ein Wunder, dass sie überhaupt die Badekappe dabei abnehmen, denn die ist im ganzen Schwimmbadbereich eigentlich auch Pflicht. Geduscht wurde in nicht einsehbaren Duschkabinen mit Sichtschutztür – die Umkleide war dann aber absurderweise offen einsehbar. Kann sein, dass wir nur zufällig in der prüdesten Sauna von Irland gelandet sind, aber das fand ich schon alles ziemlich schräg und nun ja, irgendwie irisch!

 

Blog mit Käse überbacken

Liegt es an meinen Schweizer Genen, dass ich beim Thema „Überbackener Käse“ innerlich gespalten bin? Klar, so ein Käse-Fondue ist schon lecker und auch ein Raclette ist eine schöne Sache. Aber muss man deshalb jedes Stückchen Käse, das man in die Finger bekommt reiben, rösten und zu einer klebrigen Masse einschmelzen?

Die junge Amerikanerin MacKenzie Smith scheint genau das zu tun – und sie bloggt darüber: Grilled Cheese Social heißt die Seite, auf der sie Rezepte für überbackene Sandwiches gibt. Ja genau, diese Dinger für die man normalerweise ein Stück 0815-Scheibletten-Käse zwischen zwei Toastbrot-Scheiben klemmt und sie dann im Sandwichtoaster zu einem dreieckigen Gebildete zusammenröstet.

Zugegeben, die Fotos ihrer Kreationen (Cranberry-Senf-Truthahnbrust, Grüne-Bohnen-Camembert) sind durchaus appetitanregend. Aber spätestens bei der Käseauswahl merkt man schnell, dass die USA einfach kein Käseland sind: Hinter Gouda, Cheddar und Brie kommt erst mal nicht viel. Und ein Greyerzer gilt schon als seltene Spezialität. Ein Schweizer kann darüber natürlich nur lachen. Andererseits, wage ich als Schmelzkäse-Laie zu behaupten, schmeckt man ohnehin kaum noch Geschmacksnuancen heraus, wenn der Käse erst mal in klebrigen Fäden am Toastbrot hängt und eine unheilvolle Allianz mit Chili-Ketchup und geröstetem Speck eingegangen ist…

Witzig geschrieben sind die Begleittexte zu den Rezepten. MacKenzie Smith erzählt dort kleine Anekdoten, etwa aus ihrem Uni-Leben: In den ersten Wochen im Wohnheim habe sie sich vor allem von Cornflakes, Erdnuss-Butter und Jelly-Sandwiches ernährt. Da habe ihr aber schnell die Abwechslung gefehlt: „But my palette and reputation were suffering; one can only go through the TacoBell drive-thru so much before they start to know you by name.”

Ja, schon wirklich tragisch! Aber erfindungsreich wie sie war, hat sie sich gleich eine kulinarische Alternative überlegt, die völlig ohne lästiges Gemüse auskommt und für deren Herstellung man nur ein Bügeleisen und etwas Alufolie benötigt: Grilled Cheese Iron Style – das vermutlich erste Bügeleisen-Sandwich. Allein schon wegen dieser heißen Kreation sollte man sich ihr Grilled Cheese Social-Blog einmal näher anschauen.

Ausflug ins Flippermuseum Schwerin

Früher stand in jeder Kneipe einer. Und auch auf vielen Campingplätzen gab es ihn. Wer eine D-Mark locker hatte, warf sie ein und war sofort umringt von anderen Kindern. Jeder wollte sehen, was hier gespielt wurde. Ja so ein Flipperautomat hatte schon damals eine magische Anziehungskraft. Und was ist heute aus den bunten Spielgeräten geworden? Man muss es so hart sagen: Der Flipper fristet ein Schattendasein, er ist reif fürs Museum.

Liegt es am Spielprinzip? Das ist über die Jahrzehnte praktisch komplett gleich geblieben. Man versucht eine Kugel mit Hilfe von zwei Flipperfingern auf einem abschüssigen Spielfeld möglichst lange im Spiel zu halten und durch das Abschießen von Zielen Punkte zu bekommen. Geht der Ball doch mal ins Aus, wackelt man kräftig am Gerät bis die Buchstaben TILT erscheinen. Dann ist zwar der Punktestand futsch, aber die Spieler-Ehre gerettet.

Wer heute gepflegt eine Runde Flippern will, der muss schon etwas länger suchen. Für Berlin listet die Seite flippern.de zwar dutzende Kneipen und Cafés auf – doch viele Geräte sind in schlechtem Zustand, sie stehen in dunklen Hinterzimmern oder sind inzwischen ganz ausrangiert worden (siehe auch mein Beitrag „Verschlossenes Paradies“).

Wer doch mal wieder eine ruhige Kugel schieben will (hoho!), der sollte sich das Flippermuseum in Schwerin einmal näher anschauen. Ein Ausflug dorthin lohnt: Mit dem Regionalexpress kommt man in etwa zweieinhalb Stunden in die mecklenburgische Landeshauptstadt und hält dabei zwischendurch noch in so spannenden Orten wie Glöwen, Rastow oder Sülstorf. In jeder Hinsicht ist diese Fahrt eine Zeitreise. Sie führt vorbei an verrammelten Bahnhofsgebäuden und grauen Ortschaften, die allesamt schon bessere Tage gesehen haben – was für viele Flipper ja leider auch irgendwie gilt. Da kann der Hauptbahnhof von Schwerin schon als Lichtblick gelten (ist er doch immerhin „Bahnhof des Jahres 2008“, wie eine Infotafel stolz verkündet).

Ohne Google Maps auf dem Handy hätten wir uns auf dem Bahnhofsvorplatz sicher verlaufen und dann die vermutlich sehr schöne Altstadt Schwerins kennengelernt. So aber stolperten wir zielsicher auf einen Plattenbau in der Friesenstraße 29 zu, in welchem hinter schwarz verkleideten Wänden das Flippermuseum residiert.

In sechzehn verwinkelten, aber liebevoll gestalteten Räumen werden rund 80 Flipperautomaten ausgestellt. Wer sich ein Museum nach dem Motto „nur gucken, nicht anfassen“ vorstellt, liegt falsch. Rund ein Drittel der Geräte (Anzahl variiert) sind funktionstüchtig und laden zum unbegrenzten Freispiel ein.

Diese Chance ließen wir uns natürlich nicht entgehen und zockten uns durch die Jahrzehnte des Flippergeschichte: Angefangen von frühen elektromechanischen Geräten mit Relais über schrille Geräte aus den 70er Jahren bis hin zu einem der letzten modernen Flipper mit Display und Videoanimation („Revenge from Mars“) war alles dabei.

Unabhängig vom Alter der Geräte (und der Spieler) stellten wir schnell fest: Es gibt Flipper, die richtig Spaß machen und solche, die nach einem Spiel schon langweilen. An manche Automaten kehrten wir immer wieder zurück. So etwa Mata Hari, Viking oder Sinbad bei den elektromechanischen Geräten und Dracula oder Twilight Zone bei den Pinballs mit Digitaltechnik. Die Kugeln ratterten, die Punktestände klingelten – es war wieder wie früher auf dem Campingplatz!

Wir waren so vertieft ins Spiel, dass wir fast die Zeit vergaßen. Und das wo um 18:17 Uhr schon der letzte direkte Regionalexpress nach Berlin fährt. Also schnell noch ins Gästebuch eingetragen und dann auf zum Bahnhof. Im Zug dann die Erkenntnis: Blingbling, ratterratter, hat richtig Spaß gemacht.

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Mehr Videos vom Flippern gibt es im frisch eingerichteten Blogonade-YouTube-Kanal.

Und wer sich persönlich auch mal die Kugel geben möchte: Ab Berlin geht es mit dem Regionalexpress der Linie 4 (Wochenendticket nicht vergessen) oder mit Auto über A24 und A14 nach Schwerin. Das Flippermuseum liegt in der Friesenstraße 29 und hat zurzeit freitags ab 20 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 8 Euro für Erwachsene, Kinder ermäßigt 3 Euro. Auch für Geburtstage und Herrenabende kann man das Museum mieten.

Ein klarer Schnitt


Der Chirurgie-Simulator 2011: Nachzeichnen…

Früher war die Welt der PC-Simulationen noch übersichtlich: Es gab Rennspiele, Flugsimulatoren und Städtebauspiele á la Sim City. Betritt man heute die Spieleabteilung eines mittelgroßen Technikmarktes, wird man förmlich mit Titeln aus dem Simulationsbereich erschlagen.

Das Gesundheitswesen ist eine der wenigen Branchen, die vom Simulationswahn bisher verschont geblieben ist. Doch mit der Ruhe in Krankenhaus und Wartezimmer ist es jetzt vorbei: Wer schon immer einmal Arzt sein wollte, der kann sich im Chirurgie-Simulator 2011 an acht verschiedenen Operationen probieren. Heute vielleicht mal einen Blinddarm entfernen, anschließend einen Leistenbruch behandeln und zum Abschluss noch mal so eine richtig schöne Unterschenkelfraktur? Der Chirurgie-Simulator verspricht „realistische OP-Bedingungen“ und „viele verschiedene Werkzeuge wie Appendixquetsche, Skalpell, Kompresse“. Die „spannenden Missionen“ des Spiels seien nur „mit kühlem Kopf und ruhiger Hand“ zu meistern.


…und ausmalen sind die Hauptaufgaben des Spiels.

In der Praxis gestaltet sich das allerdings eher dröge: So zeichnet man mit dem virtuellen Skalpell Linien nach oder sprüht mit der Desinfizierdose große Flächen rund um den Bauchnabel eines Patienten an. Das Ganze erinnert irgendwie an das Malprogramm Paint.

Dieses OP-Video auf YouTube zeigt in Echtzeit, wie im Spiel ein Blinddarm operiert wird. Rasieren, Desinfizieren, Aufschneiden. Linien nachzeichnen und Flächen ausmalen. Zwischendurch wirds auch mal gepflegt eklig. Dazu läuft, wie in jedem guten echten Operationssaal auch, die ganze Zeit klimpernde Fahrstuhlmusik.

Um es kurz zu machen, der Chirurgie-Simulator ist genauso unrealistisch, langweilig und lieblos gestaltet wie seine Kollegen im Technikmarkt. Was haben wir dort nicht schon alles gesehen: Da hätten wir Bus-Simulator, Kran-Simulator, Gabelstaplersimulator, Landwirtschafts-Simulator, Feuerwehr-Simulator, Notarzt-Simulator, Müllabfuhr-Simulator, Lieferwagen-Simulator, Abschleppwagen-Simulator, Tankwagen-Simulator, Holzfäller-Simulator oder Pistenraupen-Simulator. Und das ist nur eine Auswahl.


Schöne bunte Arbeitswelt: In den Spielen dominiert allerdings meist eher Steinzeit-Grafik.

Simuliert wird, was sich verkauft. Und die Spiele laufen anscheinend richtig gut. So sind die Online-Foren, etwa des Landwirtschafts-Simulators, rege besucht. Auf der Facebook-Fanseite wird demnächst der 22.000ste Fan begrüßt. Da stört es kaum, dass die Bewertungen in PC-Zeitschriften und auf Amazon regelmäßig unterirdisch sind und jedes Gameplay-Video auf YouTube eigentlich eine Warnung ist: Diese Spiele bitte nicht kaufen!

Warum also wollen Menschen in ihrem Feierabend mit dem Müllauto durch Polygon-Städte gondeln und dutzende Abfalltonnen einsammeln? Wo liegt der Reiz, mit einem Mähdrescher übers Feld zu fahren und Weizen zu ernten?

Vielleicht ist es das Bedürfnis nach Entspannung. Wo in Ego-Shootern scharf geschossen wird und im Echtzeitstrategie-Spiel die Panzer rollen, umgibt die Spielwelt der Simulationen eine unaufgeregte Ruhe. Die gezeigte Welt ist gewaltfrei und – sieht man von ein paar nicht abgeholten Mülltonnen und ein paar ungemähten Feldern einmal ab – praktisch ereignislos.

„Spiel ist etwas Heiteres. Es soll Freude machen!“, heißt es schon in Loriots berühmtem Skat-Sketch. Wo aber nichts passiert und dieses Nichts auch noch so unschön aussieht, da ist der Reiz des Spielens dahin. Dann lieber noch eine Runde Sim City.

Dieses iPhone kostet 2904 € (mindestens)

Die Verführung kommt in diesen Tagen ganz in grün daher. Die Lightboxes an den bus stops der Hauptstadt scheinen nur noch ein Motiv zu kennen. Die Littfaßsäule vor meinem Haus dreht es alle 56 Sekunden vorbei. „Es wartet auf dich“, haucht die Werbung. Zu sehen: Das iPhone 3GS. Das noch-„leistungsstärkste iPhone aller Zeiten“. Das ist einfach, weil es erst das zweite Handy dieses Typs ist und in diesem Jahr vermutlich schon ein noch schnellerer, stylischerer und gehypterer Nachfolger erscheinen wird. Ein runder roter Punkt hebt sich kontrastreich von dem Grün des Werbeplakates ab. Es ist das Preisschild: 1 Euro mit Sternchen.

Handyverträge sind ja generell eine Spielwiese für Sternchen, Fußnoten, Versprechen und Ausschlüsse, Preislisten und Haftungsbegrenzungen. Ich habe Handyverträge gesehen, die hatten mehr Fußnoten als so manche Bachelorarbeit. Hinzu kommen schwurbelige Formulierungen, die so klingen als wäre alles inklusive und am Ende kosten diverse Extras (wie der Name schon sagt) extra. Die Verlockung ist trotzdem da: Gibt es diesmal vielleicht etwas geschenkt?

Natürlich nicht! Die Kosten des 1-Euro-iPhone verstecken sich nicht hinter dem großen Display des Kommunikationsknochens, sondern im Kleingedruckten: Die Grundgebühr für den Tarif Complete L beträgt fast 120 Euro (!) pro Monat, hinzu kommt noch die Anschlussgebühr. Dafür bekommt man eine Flatrate in alle Netze, 3000 Inklusiv-SMS (die wohl kaum jemand verbrauchen wird), 100 Inklusiv-MMS und eine Flatrate für das Internet. Fast alles inklusive also. Aber zu welchem Preis?

Rechnen wir mal zusammen, was das 1-Euro-iPhone von mobilcom-debitel tatsächlich kostet:

119,95 Euro x 24 Monate
+ 25,95 Euro Anschlussgebühr
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gesamt: 2904,75 Euro
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Mit mehr als 2900 Euro kann man eine Menge anstellen: Man kann in so ziemlich jedes Land der Erde fliegen und dort ziemlich lange Urlaub machen, man kann sich einen Gebrauchtwagen zulegen oder sich für die nächsten acht Jahre jeden Tag ein Eis am Kiosk gegenüber kaufen. Oder man legt sich ein Handy zu, dass in weniger als einem halben Jahr vielleicht schon zum alten Eisen gehört. „Es wartet auf dich“, haucht die Werbung. Und ich sage: „Da kannste warten bis dein Display schwarz wird!“

Dogs today – Das Hundetrendmagazin


In der Blog-Reihe ‚Im hinteren Regal‘ nehme ich Magazine in die Hand, die im Zeitschriftenladen ganz hinten liegen und ein Schattendasein fristen. Diesmal: Die Dogs today

Die bunte Gestaltung und das handtaschenkompatible Format lassen die Dogs today auf den ersten Blick wie eine ganz normale Frauenzeitschrift wirken. Wären da nicht der hechelnde Hund auf dem Cover und seine zahlreichen Artgenossen im Inneren des Heftes. Dogs today zielt auf trendbewusste Hundebesitzerinnen, die ihren kleinen Lieblingen gerne modische Accessoires kaufen und sich für Klatsch und Tratsch rund um die Hunde der Stars (also B- und C-Promis um genau zu sein) begeistern können. Kurz: Dogs today ist eine Frauenzeitschrift – nur mit ziemlich viel Hund drin.

Auf Grund der kleinformatigen Gestaltung des Heftes (ungefähr DIN A5) sind die meisten Artikel in der Dogs today so kurz wie der Stummelschwanz eines Pudels. Tiefgehende Reportagen finden sich weniger, längere Texte sind um zahlreiche Fotos ergänzt, was den boulevardigen Charakter des Magazins unterstreicht. Die Themen in der Januar/Februar-Ausgabe (Dogs today erscheint zweimonatlich) lauten unter anderem Dogs and the city – Ein Hundeleben in New York, Urlaub mit Hund (15 angeblich ausgefallene Reiseideen), Albtraum Hundeallergie und Kulthund Mops („Seine Geschichte, seine Karriere, seine Fans“). Dazu gibt es Tipps zu Ernährung und Gesundheit und ein Hunderezept. Also nicht ein Rezept mit Hund als Zutat, sondern ein Rezept, was sowohl Hund als auch Herrchen schmeckt. In dieser Ausgabe: Wildlachs mit Pellkartoffeln und Senf-Dill-Sauce (für den Hund alles außer Kartoffeln und ungewürzten Wildlachs weglassen).


„Ohh ist der süüß!“ – Der Niedlichkeitsfaktor der Dogs today ist ausgesprochen hoch.

Etwas merkwürdig mutet die Eigenart der Dogs today an, verschiedene Hunderassen als modische Trends zu präsentieren. Da wird der Titelhund „Australian Shepherd“ als perfekter Hund für „aktive, sensible UND flexible Menschen“ vorgestellt. Zwei Seiten weiter finden sich Alternativen zu dem „Modehund“. So heißt es zum Kurzhaar-Collie etwa: „Diesen Hund gibt es auch in Merle-farben, und er ist sportlich wie der Aussie.“ Zahlreiche putzige Hundefotos und die Vorstellung trendiger Accessoires (Brustgeschirr, Hundeleine) verstärken den Eindruck, dass es beim Hund auch und vor allem auf das Aussehen ankommt.

Und dann findet man in dem 144-seitigen Heft doch noch so etwas Ähnliches wie Reportagen. Interessanterweise scheint gerade die neue Volontärin, Valérie Augustin, für Außenberichte zuständig zu sein. So begibt sie sich etwa zu den tätowierten Tierschützern von Rescue Ink, die gerade in einem Münchner Tierheim auf Promotour für ihre gleichnamige TV-Reality-Serie sind. „Riesige Kerle, gewaltige Muskeln mit Tattoos übersäht und eiskalte Mienen“, verspricht Valérie Augustin und hält sich dabei ziemlich genau an die PR-Ankündigung der Serie („Acht grimmig dreinblickende harte Kerle auf ihren Harleys, jeder von ihnen von Kopf bis Fuß tätowiert – das verheißt nichts Gutes.“).


Die Volontärin wird von den „harten Kerlen“ auf den Arm genommen (oben rechts).

Mehrfach finden sich in ihrem Artikel Verweise auf die Knast-Vergangenheit der „schweren Jungs“. So heißt es, die muskulösen Männer hätten „eine zweite Chance im Leben“ bekommen. Big Ant, einer der Anführer von Rescue Ink, verkündet die tiefgründige Weisheit: „Aus einer Gefängniszelle heraus kann man keine Tiere retten.“  Und die Autorin legt nach: „Tierquäler haben nichts zu lachen, wenn die Kerle von Rescue Ink vor der Tür stehen.“

Hart und illegal? Brutal, aber legal? Um diese eigentlich spannende Frage drückt sich der Artikel leider. Die Verweise auf die Vergangenheit und das aktuelle Vorgehen der offenkundig radikalen Tierschutzgruppe werden nicht genauer erläutert. Man hätte durchaus fragen können, wie weit Tierschutz gehen darf und/oder ob die Macher von Rescue Ink ihre harte Aufmachung vielleicht nur nutzen, um ein fernsehkompatibles Format zu produzieren. Auch ihr Leitmotto („Zero tolerance“) bleibt unhinterfragt. So geht der Artikel leider nicht viel über eine bloße Ankündigung der Serie hinaus. Dass die Kollegen von HalloHund.de es auch nicht viel besser hinbekommen haben, tröstet da kaum (die Fotomotive sind zudem in beiden Veröffentlichungen praktisch identisch).


Redaktioneller Artikel oder geschickt getarnte Schleichwerbung? Nicht immer wird das in der Dogs today klar.

Die Dogs today finanziert sich nicht nur über ihren Verkaufspreis von 3,50 Euro, sondern auch über Anzeigen. Soweit nichts Ungewöhnliches. Leider finden sich aber auch Anzeichen für Schleichwerbung, also bezahlte redaktionelle Inhalte im Heft: Da wirbt die Tiermarktkette Futternapf auf der ersten Innenseite des Magazins mit ihrem 20-jährigen Bestehen, auf Seite 65 in einer weiteren Anzeige für ihr Biofutter und wird im Gegenzug auf Seite 123 redaktionell erwähnt. Das dort empfohlene, angeblich besonders verträgliche Hundefutter Select Gold ist eine Hausmarke von Futternapf und wird nur in den Läden der Kette verkauft.

Auf den Seiten 32 bis 35 werden trendige Produkte für Hunde redaktionell vorgestellt. In jeder Beschreibung gibt es einen Link zu einem Onlineshop, wo man Halsband, Brustgeschirr oder Futternapf bestellen kann. So werden zum Beispiel dogscout24.com und zenger.biz je zweimal erwähnt, the-royal-dog-and-cat.de, hundskerle.de und v-i-pets.de je einmal. „Rein zufällig“ werben die genannten Shops auf den 93 bis 95 mit kleineren Anzeigen. Bei insgesamt 17 vorgestellten Produkten wird neun Mal auf Versandshops verwiesen, die weiter hinten werben. Das ist mehr als die Hälfte.

Fazit: Dogs today hilft einem, in die Perspektive einer modernen Hundebesitzerin zu schlüpfen. Ok, einer ziemlich trend- und modeverrückten Hundebesitzerin. Einer, die vermutlich alles für ihren Fiffi tun würde – sogar ihn mit kitschigen rosa Perlenhalsbändern zu behängen. Aber immerhin. Der Preis für diesen ungewohnten Einblick sind die knappen und bisweilen meinungsarmen Artikel und der fast vollständige Verzicht auf eine kritisch-hintergründige Recherche. Positiv fällt das verspielte Layout auf, auch die Hundefotos sind überwiegend sehr niedlich (und das sage ich als Nicht-Hundeverrückter). Unangenehm fiel die bisweilen fehlende Trennung von Werbung und Redaktion im Heft auf.

Dogs today – Das Hundetrendmagazin hat 144 Seiten, erscheint alle zwei Monate im Gong Verlag und ist in gut sortierten Bahnhofsbuchhandlungen erhältlich (z.B. Hamburg Hbf.) Eine Ausgabe kostet 3,50 Euro.