Wer kennt sie nicht: Witzige oder auch nur witzig gemeinte Aushänge im Treppenhaus, am Laternenmast oder am Schwarzen Brett der Uni. Es wird aufgerufen, appelliert und gedroht, dass es eine wahre Freude ist. Neu ist das nicht. Aber in kaum einer anderen Stadt laufen so viele skurrile Fundstücke auf wie in Berlin.
Und fast scheint es, als würden in diesem Jahr alle Zettelsammler Deutschlands praktisch zeitgleich auf die Idee kommen, ihre Schätze aus den Schubladen zu kramen und ins Internet zu stellen. Glaubt man dem Datum des ersten Artikels, dann hat gezettelt.de angefangen, dicht gefolgt von Notes of Berlin. Und auch tagesspiegel.de ruft nun – wohl inspiriert von der neuen Zettellust der Blogger – seine Leser zum Einsenden von eigenen Fundstücken auf.
Joab Nist, der Blogger hinter Notes of Berlin, sammelt seit rund zwei Jahren die skurrilsten Aushänge, die er auf seinen Streifzügen durch die Hauptstadt entdeckt. Einige nimmt er mit nach Hause, von anderen macht er direkt vor Ort ein Foto. Eine ganz beachtliche Sammlung sei so zusammengekommen, erzählt er. Und die will der gebürtige Münchner jetzt Stück für Stück ins Netz stellen.
Damit der Zettelstrom aber nicht versiegt, braucht er trotzdem immer neue Einsendungen. Deshalb rührte Joab Nist kurz nach Eröffnung seines Blogs Anfang Oktober kräftig die Werbetrommel. Er mailte berlinspezifische Blogs und Online-Magazine an und schrieb den Online-Redaktionen großer Berliner Tageszeitungen. Einige griffen seinen Vorschlag auf und berichteten über Notes of Berlin. Der Tagesspiegel reagierte hingegen nicht.
Umso erstaunter war Nist, als er kurze Zeit später auf der Onlineseite der Zeitung einen Aufruf an die Leser entdeckte, selbst skurrile Zettelfunde einzusenden. Hat der Tagesspiegel seine Idee einfach geklaut? Nist glaubt nicht an einen Zufall. Doch die Beweislage ist schwierig. Autor des Aufrufs ist Henning Onken, Online-Redakteur der Zeitung und Betreiber des Blogs Fenster zum Hof. Auf seiner Seite haben er und eine Kollegin aber schon viel früher skurrile Aushänge und Zettel gepostet. Und ein Blick in die Fotocommunity Flickr zeigt: Auch dort hat das Veröffentlichen von witzigen Zetteln schon seit Jahren viele Anhänger.
Letzten Endes ist es aber auch nicht ganz so entscheidend, wer mit den Zettel-Blogs angefangen hat. Wichtiger ist, dass die Fundstücke witzig sind und zum Schmunzeln einladen. Und da liegt Joab Nist derzeit ganz weit vorne.
Nachtrag: Auch Bild online ist jetzt auf die Zettel gekommen und will wohl vor allem seine Leserreporter zum Einsenden motivieren. Zeitungswebsite-typisch werden die Zettel-Fotos als Klickstrecke präsentiert.
Total genial! Was lernt man durch die Lektüre? Sprach- und Rechtschreibkompetenz der meisten Berliner stehen in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu ihrer Angst sich lächerlich zu machen.