Ausflug ins Flippermuseum Schwerin

Früher stand in jeder Kneipe einer. Und auch auf vielen Campingplätzen gab es ihn. Wer eine D-Mark locker hatte, warf sie ein und war sofort umringt von anderen Kindern. Jeder wollte sehen, was hier gespielt wurde. Ja so ein Flipperautomat hatte schon damals eine magische Anziehungskraft. Und was ist heute aus den bunten Spielgeräten geworden? Man muss es so hart sagen: Der Flipper fristet ein Schattendasein, er ist reif fürs Museum.

Liegt es am Spielprinzip? Das ist über die Jahrzehnte praktisch komplett gleich geblieben. Man versucht eine Kugel mit Hilfe von zwei Flipperfingern auf einem abschüssigen Spielfeld möglichst lange im Spiel zu halten und durch das Abschießen von Zielen Punkte zu bekommen. Geht der Ball doch mal ins Aus, wackelt man kräftig am Gerät bis die Buchstaben TILT erscheinen. Dann ist zwar der Punktestand futsch, aber die Spieler-Ehre gerettet.

Wer heute gepflegt eine Runde Flippern will, der muss schon etwas länger suchen. Für Berlin listet die Seite flippern.de zwar dutzende Kneipen und Cafés auf – doch viele Geräte sind in schlechtem Zustand, sie stehen in dunklen Hinterzimmern oder sind inzwischen ganz ausrangiert worden (siehe auch mein Beitrag „Verschlossenes Paradies“).

Wer doch mal wieder eine ruhige Kugel schieben will (hoho!), der sollte sich das Flippermuseum in Schwerin einmal näher anschauen. Ein Ausflug dorthin lohnt: Mit dem Regionalexpress kommt man in etwa zweieinhalb Stunden in die mecklenburgische Landeshauptstadt und hält dabei zwischendurch noch in so spannenden Orten wie Glöwen, Rastow oder Sülstorf. In jeder Hinsicht ist diese Fahrt eine Zeitreise. Sie führt vorbei an verrammelten Bahnhofsgebäuden und grauen Ortschaften, die allesamt schon bessere Tage gesehen haben – was für viele Flipper ja leider auch irgendwie gilt. Da kann der Hauptbahnhof von Schwerin schon als Lichtblick gelten (ist er doch immerhin „Bahnhof des Jahres 2008“, wie eine Infotafel stolz verkündet).

Ohne Google Maps auf dem Handy hätten wir uns auf dem Bahnhofsvorplatz sicher verlaufen und dann die vermutlich sehr schöne Altstadt Schwerins kennengelernt. So aber stolperten wir zielsicher auf einen Plattenbau in der Friesenstraße 29 zu, in welchem hinter schwarz verkleideten Wänden das Flippermuseum residiert.

In sechzehn verwinkelten, aber liebevoll gestalteten Räumen werden rund 80 Flipperautomaten ausgestellt. Wer sich ein Museum nach dem Motto „nur gucken, nicht anfassen“ vorstellt, liegt falsch. Rund ein Drittel der Geräte (Anzahl variiert) sind funktionstüchtig und laden zum unbegrenzten Freispiel ein.

Diese Chance ließen wir uns natürlich nicht entgehen und zockten uns durch die Jahrzehnte des Flippergeschichte: Angefangen von frühen elektromechanischen Geräten mit Relais über schrille Geräte aus den 70er Jahren bis hin zu einem der letzten modernen Flipper mit Display und Videoanimation („Revenge from Mars“) war alles dabei.

Unabhängig vom Alter der Geräte (und der Spieler) stellten wir schnell fest: Es gibt Flipper, die richtig Spaß machen und solche, die nach einem Spiel schon langweilen. An manche Automaten kehrten wir immer wieder zurück. So etwa Mata Hari, Viking oder Sinbad bei den elektromechanischen Geräten und Dracula oder Twilight Zone bei den Pinballs mit Digitaltechnik. Die Kugeln ratterten, die Punktestände klingelten – es war wieder wie früher auf dem Campingplatz!

Wir waren so vertieft ins Spiel, dass wir fast die Zeit vergaßen. Und das wo um 18:17 Uhr schon der letzte direkte Regionalexpress nach Berlin fährt. Also schnell noch ins Gästebuch eingetragen und dann auf zum Bahnhof. Im Zug dann die Erkenntnis: Blingbling, ratterratter, hat richtig Spaß gemacht.

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Mehr Videos vom Flippern gibt es im frisch eingerichteten Blogonade-YouTube-Kanal.

Und wer sich persönlich auch mal die Kugel geben möchte: Ab Berlin geht es mit dem Regionalexpress der Linie 4 (Wochenendticket nicht vergessen) oder mit Auto über A24 und A14 nach Schwerin. Das Flippermuseum liegt in der Friesenstraße 29 und hat zurzeit freitags ab 20 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 8 Euro für Erwachsene, Kinder ermäßigt 3 Euro. Auch für Geburtstage und Herrenabende kann man das Museum mieten.

Das Leben als Groschenroman

Ob Hundemagazine, Jägerzeitschriften oder Feng-Shui-Hefte: Die Zeitungsläden sind voll von ziemlich schrägen Druckerzeugnissen. Einige stelle ich ja hin und wieder in meiner Rubrik „Im hinteren Regal“ vor. Aber wieso gibt es im Internet eigentlich noch keine gesammelte Liste der skurrilsten Zeitschriften? Das wäre doch mal witzig. Das Betroffenheits-Magazin „Meine Schuld“ vom Groschenheft-Verlag Keller würde in jedem Fall mit auf diese Liste gehören. In der trashig aufgemachten Zeitschrift erzählen Frauen von (angeblich) wahren Schicksalen. Die Ehe ist gescheitert, die Kinder werden zu Satanisten und Opa schiebt die Oma ins Altersheim ab. Von dieser Art sind die Lebenskrisen, die hier behandelt werden. Die Berliner Journalistin Juliane Wiedemann hat das Heft in ihrem Blog untersucht. Aber lest ihre lustige Rezension am besten selbst.

Wie ich einmal vergeblich versuchte, mir eine Halbjahreskarte fürs Kino zu kaufen

Die Halbjahreskarte für die Yorck-Kinos in Berlin ist eigentlich eine prima Sache: Für 129 Euro kann man sechs Monate lang beliebig viele Filme anschauen. Bei einem Kartenpreis von rund 7 Euro pro Vorstellung lohnt sich die Dauerkarte also, sobald man mehr als drei Mal im Monat ins Kino geht. Nicht zuletzt ist der Besitz aber natürlich auch ein psychologischer Anreiz, um häufiger ins Kino zu gehen. So schaut man sich vielleicht auch Filme an, die man sich sonst nur auf DVD zu Gemüte geführt hätte – allerdings in Kinoatmosphäre.

Diese Woche wollte ich mir also nun eine solche goldene Karte zulegen. Was viele nicht wissen: Schon der Kauf ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. In fünf Anläufen habe ich es dennoch geschafft.

Erster Anlauf
Das Kino Passage in der Karl-Marx-Straße in Neukölln. Eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn.

Ich: „Guten Tag, ich hätte gerne eine Halbjahreskarte.“
Verkäuferin: „Die gibt es gar nicht mehr. Nur noch ein Monatsabo.“
Ich: „Aber mein Bruder hat sich gerade gestern noch eine geholt.“
Mein Bruder springt ein und zückt zum Beweis seine Karte.
Verkäuferin: „Achso, ja die gibt es nur noch als Geschenk.“
Ich: „Na dann möchte ich die mir jetzt selber schenken.“

Daraufhin kramte die Verkäuferin in einem dicken Leitzordner und förderte zwei fotokopierte Anträge zutage, die ich ausfüllen solle. Dann würde ich die Karte bekommen.

Zweiter Anlauf

Ich: „Hallo, da bin ich wieder und ich habe den Antrag ausgefüllt.“
Verkäuferin: „Ok, gehen Sie denn jetzt auch gleich ins Kino?“
Ich: „Ja, wir möchten Tim und Struppi sehen.“
Verkäuferin: „Wissen Sie, es ist ziemlich kompliziert diese Karte im System zu beantragen und ich möchte die anderen Gäste in der Schlange nicht warten lassen. Gehen Sie doch einfach erst mal so ins Kino und kommen sie hinterher wieder zu mir. Ich bereite dann alles soweit vor.“
Ich: „Klar, kein Problem, so machen wir das.“

Langsam schien es zu einer richtigen Herausforderung zu werden.

Dritter Anlauf (nach dem Film)

Ich: „Hallo, ich komme wieder wegen der Halbjahreskarte“
Verkäuferin (überlegt kurz): „Oh ja, na wir können es mal probieren. Haben Sie denn das Geld in bar dabei?“
Ich: „Nehmen Sie keine EC-Karten?“
Verkäuferin: „Keines unserer Kinos nimmt EC-Karten.“
Mein Bruder: „Aber ich habe die Karte gestern im Kantkino mit EC bezahlt.“
Verkäuferin: „Hm ja, die gehören auch eigentlich nicht so wirklich zu uns.“
Ich: „Ok, ich gehe zum Bankautomaten um die Ecke und hole Geld.“
Verkäuferin (fummelt an Webcam herum): „In Ordnung, ich versuche unterdessen die Kamera hinzubekommen. Wir brauchen noch ein Foto für die Karte.“

Vierter Anlauf (nach dem Besuch beim Bankautomaten)
Die Verkäuferin telefoniert. Sie ruft offensichtlich verschiedene Kollegen in anderen Kinos der Yorck-Gruppe an, um sich Rat zu holen. Als sie aufgelegt hat, trete ich an den Tresen.

Ich: „Na, wie sieht es aus mit meiner Karte?“
Verkäuferin: „Also das ist ein größeres Problem. Ich kann ihren Namen nicht in die Felder im System eintragen. Habe es auch schon mit anderen Karten probiert, aber die sind anscheinend irgendwie alle defekt.“
Ich: „Aha, und was machen wir jetzt?“
Verkäuferin: „Also ich kann ihnen die Karte zwar verkaufen, aber dann müssten Sie noch mal in unser Büro in der Zentrale kommen und Namen und Foto nachmachen lassen. Das ist ziemlich umständlich. Oder ich schenke Ihnen den Kinobesuch heute und Sie probieren es in einem unserer anderen Kinos noch mal. Tut mir leid, dass es so kompliziert ist.“

Jeder nicht ganz so gewiefte Jahreskarteninteressent hätte jetzt vermutlich aufgegeben und verzichtet. Aber als richtiger Berlinblogger konnte ich es natürlich nicht lassen, und habe es weiter probiert. Zwei Tage später stand ich beim Filmtheater am Friedrichshain auf der Matte. Zwar quittierte die Verkäuferin meine Frage nach der Jahreskarte auch hier mit einem „Oh je“ und winkte eilig ihre Kollegin zur Unterstützung herbei („Da will schon wieder eine die Halbjahreskarte“), aber der Kauf ging dann überraschend reibungslos über die Bühne. Foto wurde irgendwie keins gemacht, dabei hatte ich mir doch extra vorher noch die Haare gekämmt (nene, kleiner Spaß…). Ende gut, alles gut: Ich habe die Karte im fünften Anlauf erfolgreich gekauft.

Wenn ihr auch mal euer Glück probieren wollt: Eine Halbjahreskarte für die Yorck-Kinos kostet 129 Euro, eine Jahreskarte gibt es für 229 Euro, beides bei Einmalzahlung vorab. Alternativ gibt es auch eine Abo-Karte mit Mindestlaufzeit von 12 Monaten, welche 18,90 Euro pro Monat kostet (und damit absurderweise günstiger als die Einmalzahlung ist).

Blaues Wunder erlebt – Die Blue Man Group Show in Berlin

Stehen drei Blue Men auf der Bühne und halten eine Packung Cornflakes in der Hand. Sie stopfen sich Flakes in den Mund. Einer so hastig, dass sie ihm wieder aus dem Mund fallen. Das Publikum lacht. Wie, das ist gar nicht lustig? Es geht aber noch weiter: Jetzt kauen die Blaumänner ihre Flakes im Takt. Das Geräusch wird von den Mikros verstärkt. Ein einziges Kauen und Schmatzen. Das findest Du nicht lustig? Dann brauchst Du harte Nerven, denn auf diesem Niveau bewegen sich fast alle Nummern in der Blue Man Group Show in Berlin (für alle, die sich noch nicht sicher sind, hier ein Video).

Seit 2004 gibt es den Ableger der Blue Man Group in Berlin. Außer in der Hauptstadt läuft die Show auch noch in den USA, in Tokyo und auf Kreuzfahrtschiffen. Das Konzept ist immer dasselbe: Drei stumme, blau maskierte Männer treten auf die Bühne und führen eine Mischung aus Trommeln, Clownerie, Performance gepaart mit Zuschaueranimation auf. Das sieht dann zum Beispiel so aus: Ein Blue Man turnt über die Stuhllehnen hinweg durch die Menge. Er drückt einem Zuschauer einen Marshmallow in die Hand und stellt sich drei Meter entfernt auf. Der Zuschauer soll nun den Mund des Blue Man treffen. Beim dritten Versuch klappt es. Das Publikum klatscht. Juhu!

Überhaupt wird das Repertoire der Stadion-Animation auf breiter Front bedient: Am Anfang der Show sollen alle Zuschauer laut schreien, später dirigieren die Blaumänner mit Leuchtstäben die verschiedenen Besucher-Blöcke im Parkett. Erst sollen alle Leute links aufstehen und klatschen, dann die rechts und am Schluss alle in der Mitte. Das funktioniert zwar ebenso zuverlässig wie bei einem Fußballspiel, aber es ist weder originell noch sonderlich niveauvoll.

Ein großes Problem ist: Die Blue Man Group Show hat keinen roten Faden. Nirgends ist auch nur der Hauch einer Handlung oder Reihenfolge zu erkennen, alles wirkt willkürlich aus einem größeren Fundus zusammengewürfelt. So werden zwischendurch etwa Einspieler gezeigt, in denen die Blue Men überhaupt keine Rolle spielen. Diese Filmchen sind zwar nett gemacht, wirken aber vom Rest der Veranstaltung seltsam isoliert. Von einem Gesamtkonzept, wie man es von einer Show dieser Größe erwarten würde, ist wenig zu spüren.

Noch dazu passieren der Blue Man Group peinliche Fehler: Auf einmal laufen die drei Blaumänner von der Bühne. Auf dem Bildschirm wird eine vermeintliche Live-Übertragung gezeigt. Man sieht, wie zwei der Blue Men vor dem Theater in ein Taxi steigen. Im Hintergrund ist deutlich die Mercedes-Benz-Niederlassung gegenüber zu sehen. Schade nur, dass diese dort seit längerem gar nicht mehr existiert. Dort sitzt jetzt nämlich N24. Ein bisschen aktueller würde man sich eine „Live-Schalte“ schon wünschen…als Ortsfremder fällt einem das vielleicht nicht gleich auf – als Berliner merkt man es sofort.

Die Touristendichte ist generell hoch: An einer Stelle soll die Menge spontan Karaoke zu dem Song „Dickes B“ der Berliner Reggae-Combo Seeed singen. Es kennt schlicht niemand den Text. Da hilft es auch nicht, dass dieser in übergroßen Lettern auf einem Bildschirm eingeblendet wird. Dabei ist das Publikum für derartige Späße durchaus zu haben: Als einige Minuten später „beliebte Posen bei Rockkonzerten“ eingefordert werden, heben viele meiner Sitznachbarn die Arme und schwenken sie hin und her.

Das einzig wirklich Sehenswerte an der Blue Man Group Show sind die Trommelnummern. Die Blaumänner spielen im Takt auf Plastikrohren, sie hauen und trommeln, als wenn sie sich den Frust über den vermurksten Rest der Show von der Seele prügeln wollen. Keine Frage, es ist schon beeindruckend, wenn sie bunte Farbe auf ihre Drums gießen und diese dann Sekunden später empor spritzt. Schade nur, dass diese durchaus gelungenen Musikeinlagen in der Gesamtshow fast untergehen.

Ganz am Schluss werden lange Klopapierbahnen durch den Saal gerollt, jeder gibt das aktuelle Stück nach vorne weiter. Mehr und mehr Klopapier kommt von hinten an und wird von allen nach vorne zur Bühne bugsiert. Es ist erstklassiges Papier, ganz weiß und sauber. Da liegt es nun in riesigen Bergen auf der Bühne. Weiter passiert nichts damit. Eine unglaubliche Verschwendung von Ressourcen – die nicht gerade vom ökologischen Weitblick der Blue Man Group zeugt.

Mehr als 80 Euro kostet eine Karte für die Show in der ersten von zwei Kategorien, in der zweiten immerhin noch etwa 70 Euro. Dafür kann man eigentlich eine Menge erwarten. Eigentlich. Denn geboten werden vor allem großformatig aufgezogene Plattheiten, langgezogene Sketche und die schon erwähnte, stellenweise peinliche Publikumsanimation. Wenn man diesem Abend etwas Gutes abgewinnen will, dann vielleicht dieses: Man muss nicht mehr nach Mallorca fliegen, um sich auf dem Niveau einer All-inclusive-Ferienanimation bespaßen zu lassen. Eine Tageskarte zum Potsdamer Platz genügt.

Es geschah am hellichten Tag…

Am Sonntagnachmittag wollte ich zwei wichtige Dinge erledigen: Wählen gehen und meinen Müll runterbringen. Als ich vom Hof zurückkam ahnte ich noch nicht, was mir kurze Zeit später widerfahren würde. Um nicht noch einmal auf- und wieder zuschließen zu müssen, stellte ich meinen grauen Papierkorb vor der Wohnungstür ab. „Den klaut schon keiner“, sagte ich noch zu mir.

Als ich eine dreiviertel Stunde später vom Wählen zurückkam, war mein Papierkorb verschwunden. Ich habe überall nachgeschaut: Bei den Mülltonnen im Hof, im Hausflur und sogar in der Wohnung (obwohl es ja erwiesenermaßen eher selten vorkommt, dass sich Papierkörbe durch geschlossene Türen hinweg verschieben). Aber keine Spur von dem grauen Eimer!

Nun könnte man ja sagen „was solls, sowas passiert halt…wird dem Lukas eine Lehre sein, wo er seinen Papierkorb immer vor der Tür stehen lässt…noch dazu in Kreuzberg“. Doch damit würde man es sich zu einfach machen.

Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass ein Nachbar meinen Papierkorb entwendet hat. Unsere Haustür schließt zuverlässig und besonders viel Publikumsverkehr war am Sonntagnachmittag auch nicht zu beobachten gewesen. Ich glaubte plötzlich, den eisigen Hauch der sozialen Kälte im Haus spüren zu können (vielleicht war es auch der Herbst). Denn wer möchte schon gerne mit Nachbarn Wand an Wand wohnen, die einem hinterrücks den eigenen Papierkorb vor der Tür wegklauen?

Wieso stiehlt überhaupt jemand einen Plastikeimer, der neu nur etwa fünf Euro kostet und gebraucht wohl kaum einen Wiederverkaufswert besitzt? Ich wollte mehr erfahren und ging im Haus von Tür zu Tür. Ich fragte die nette Frau vom Stockwerk obendrüber, klingelte bei dem verstrubbelten Amerikaner und wartete vergeblich vor der Tür des türkischen Ehepaares. Doch niemand hatte den Papierkorb gesehen oder wollte zugeben, dass er ihn gesehen und dann mitgenommen hatte.

Also probiere ich es jetzt mit kleinen Postern, die ich im Hausflur aufgehängt habe. Zugegeben, die Geschichte darauf ist etwas dramatisiert. Aber wer seinen Papierkorb zurückhaben möchte, der muss klotzen, nicht kleckern (was schlecht wäre, so ohne Papierkorb).

Nachtrag (20.09.): Der Aushang hat offensichtlich gewirkt. Heute früh stand mein Papierkorb plötzlich wieder vor der Tür – ganz so als wäre er nie weg gewesen. Halt nicht ganz, oben klebte noch ein Zettel dran mit der Aufschrift „Tut mir leid!“.

Der Thaipark in Wilmersdorf

Bin ich hier in Thailand? Was aussieht wie eine Wiese in Bangkok ist in Wirklichkeit der Preußenpark in Berlin-Wilmersdorf, besser auch bekannt als Thaipark. Jedes Wochenende treffen sich hier dutzende thailändische Familien und kochen auf der Wiese. Wann es genau angefangen hat, kann heute niemand mehr sagen. Aber schon 2002 berichtete die Berliner Zeitung, dass der Park seit mindestens zehn Jahren ein beliebter Treffpunkt von Asiaten sei. Was als Picknick begann, ist mittlerweile ein richtiges Geschäft geworden: An einem Stand brutzeln Kochbananen in der Pfanne, am nächsten gibt es Saté-Spieße mit Hühnerfleisch und dazu frisch gedämpften Reis. Für ein paar Euro kann man im „Open-Air-Restaurant“ auf der Wiese asiatisch essen (siehe Bericht zum Essen im nimmersatt-in-berlin-Blog).

Was auffällt: Viele junge Thai-Frauen haben ihre deutschen Männer dabei. Die sind oft schon im Rentenalter und sehen so aus, als ob sie gerade frisch aus der Kneipe kämen. Während die Thai-Frauen kochen und das Essen verkaufen, tun die Männer, dass was sie am besten können: Sie sitzen im Liegestuhl und ruhen sich aus. Einige lungern auch beim Glücksspiel hinter den Essensständen und zocken um Euros.

Eine Thailänderin bietet Massagen an. Auffallend sauber ist es auf der Wiese: Ein „Hausmeister“ läuft herum, stellt Plastiksäcke für den Müll bereit. Das Bezirksamt versucht dem Treiben mit Verboten und gelegentlichen Razzien beizukommen – seit fast zwanzig Jahren ziemlich erfolglos.

Und so wird weiterhin jedes Wochenende im Thaipark gekocht, massiert und gezockt.